Sonntag, 20. Juli 2014

Reisebericht Marokko Teil 4: Pizza in der Sahara

So meine Lieben,
da mich vereinzelt schon Anfragen erreicht haben, wann dann endlich der nächste Reisebericht folgt, versuche ich den vierten Teil vor meinem letzen Lernmarathon fertig zu bekommen. Ich merke jetzt noch, dass ich von Zeit zu Zeit im Alltag in die Erinnerungen an unseren Urlaub zurückfalle. Beispielsweise wenn ich in der Straßenbahn sitze und aus dem Fenster blicke oder es ist der letzte wache Moment vor dem Einschlafen. Die Sahara ist ein Ort, der mich unglaublich fasziniert hat. Es ist eine lebensfeinliche Gegend und doch bescherte  mir dieser Ort ein Gefühl von Glück und Geborgenheit. Ich befürchtete zunächst, dass ich aufgrund der enormen Hitze unaufhörlich unter Kopfschmerzen leiden würde, aber nichts der gleichen ist eingetreten. Es ging mir fabelhaft.

Sonnenaufgang in der Sahara



Am nächsten Morgen wurden wir von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Nach und nach erhob sich die Sonne über den großen Dünen und war als großer Feuerball am Himmel zu sehen. Frühstück gab es gegen 7 Uhr. Es wurde unglaublich viel aufgetafelt: Pistanzienjogurt, Saft, Milch, Ziegenkäse, Kaffee, Tee, Eier, Brot, verschiedene Aufstriche und Oliven. Von 8 bis 10 Uhr saßen wir erhaben auf unseren Dromedaren und schaukelten sanft um die Dünen herum zu unserem Mittagsquartier in Richtung der algerischen Grenze.

Die Wüste lebt ...

Allmählich ließen wir die große Düne, in deren Schatten wir genächtigt hatten, hinter uns. Unser treuester Begleiter war eine Fliege, die ständig zwischen uns dreien hin und her flog. Langsam nahm die Vegetation wieder zu. Vereinzelt standen Büsche und in der Ferne erblickte ich eine einsame Palme. Aber wir sahen auch einige andere Tiere. Auf dem Sand krabbelten einige Käfer, die sich in den Sand eingruben und auf den kleinen Büschen ließen sich ein paar kleine Vögel nieder, die mit unseren heimischen Spatzen Ähnlichkeit hatten. Ach ja ... und ich sah einen Salamander.



Jedes Mal, wenn mein Dromedar einen Sandberg hinab lief, hoffte ich inständig, dass es sich nicht vertritt und wegrutscht und wir womöglich zur Seite umkippen. Nach dem zwei Stunden Ritt tat uns der Hintern ordentlich weh und wir freuten uns, als wir endlich unser Mittagslager erreichten. Zunächt wurden die Tiere getränkt und angebunden.

Die heiße Mittagszeit verbrachten wir im Schatten eines großen Baumes auf einem roten Teppich mit blauen Kissen. Ich ließ mich auf den Teppich fallen, schaute in die Äste des Baumes und genoss den leichten Windhauch und das dazu passende Rauschen der Blätter.






Besuch bei den Berber - Nomaden 

Ganz in der Nähe unseres Baumes war ein Nomaden-Dorf. Im Vorfeld wussten wir gar nicht, dass Mohamed mit uns dort hingehen würde.
Auf dem Weg dorthin überquerten wir eine Senke, die sich bei Regen in einen reißenden Fluss verwandeln kann. Aber gerade war es so ausgetrocknet, dass der Boden Risse hatte, die wie ganz viele Tonscherben aussahen. Wir erreichten nach 10 Minuten Fußmarsch einen Streifen mit schwarzen kleinen Steinchen. Dort schlugen zur Zeit sieben Nomadenfamilien ihr Lager auf. In der Ferne, circa 50 km, konnte man die algerische Grenze erahnen. Mohamed, der ebenfalls aus einer Berberfamilie stammte, erklärte uns, dass die Familien etwa 3 Monate an einer Stelle verweilen bis sie dann 2 Tage lang zur nächsten marschieren. Sie bleiben immer auf dem Streifen zwischen der Steinwüste und den Dünen mit dem schlanken Grünstreifen. Insgesamt leben in dieser Gegend noch 35 Nomadenfamilien. Die Kinder gehen mittlerweile in der nahegelegenden Stadt ins Internat.




Bei einem heißen Glas Minztee plauderten wir ein wenig. Es kamen immer mehr Familienmitglieder ins "Wohnzimmer". Das war ein Zelt, deren Seiten offen waren. Auf dem Boden lag ein Teppich mit Sitzkissen. Diese waren für die Touristen gedacht. Es gab eine strikte Trennung zwischen Männern und Frauen. Die Männer saßen auf der rechten Seite ebebfalls auf Kissen und die Frauen auf der linken Seite im Sand. Ich bot einer der Töchter mein Kissen an, damit sie nicht auf dem blanken Boden sitzen musste. Sie freute sich. Ich glaube, dass dort viele Touristen hingebracht werden. Es hat sicherlich für beide Seiten Vorteile. Wir können einen kurzen Einblick in die Welt der Berber bekommen. Und sie bekommen von den Touristen ein paar Dirham dafür. 


Feuerstelle der Berber

Ich schaute mich im Zelt um und sah einen Ziegentorso, der zu einer Wasserflasche umfunktioniert wurde. Das Wasser soll darin besonders lange kühl bleiben. Ich habe bewusst keine Fotos von der Familie und ihrem Wohnzimmer gemacht. Ich wollte die Familie nicht durch mein Fotografieren zu einer Touristenattraktion machen. 

Zelt der Berber im Hintergrund

Esel

Das Wasser wird noch mit Eseln herangeschafft. Man muss drei Tage graben, bis man in dieser Gegend auf Wasser trifft. Strom gibt es durch ein Solarpanel. Traditionell verdienen die Berber ihren Lebensunterhalt mit Ziegen- und Dromedarzucht. 

Bevor wir wieder gingen, zeigte Christoph ihnen ein paar Fotos aus seiner Heimat. Sie staunten, dass bei uns alles so schön grün ist und der älteste Sohn freute sich über das Foto mit dem Pferd auf der Koppel.

Pizza in der Sahara

Zurück im Camp zeigte uns Hassan, der Pizzamann, wie man die traditionelle Berber-Pizza macht. Den Teig hatte er bereits vorbereitet. Er umschloss die Füllung vollständig, sodass die Pizza im offenen Feuer auf dem Boden brutzeln konnte. Hassan legte dann eine schwarze Metallschale darüber, bedeckte es mit trockenen Ästen und zündete es an. Mit einem Blasebalg heizte er der Flamme noch extra ein. Dann räumte er alles beiseite, drehte die Pizza auf die andere Seite und wiederholte die Prozedur. Nach 10 Minuten war unser Mittagessen fertig. Die eine Hälfte bekamen wir und die andere Hälfte verspeisten Hassan und Mohamed.



Pizzateig mit Ziegenfleisch
fertige Pizza
"Aufwärmen" am Feuer ;D
et voila - es ist angerichtet
Pizza mit Cola, Salat, Obst und Omlett - Lecker :)

Nach dem Essen ließen wir die Seele baumeln und träumten wieder unter dem großen Baum vor uns hin.  Von Zeit zu Zeit tränkten wir unsere Tücher im Brunnenwasser. Diese Stille wurde abrupt unterbrochen, als eine französische Familie im Jeep angefahren kam. Hassan warf sich schnell wieder sein traditionelles blaues Gewand über und veranstaltete die Pizza-Prozedur erneut. Die Kinder freuten sich riesig und tauften Hassan um in "Pizzaman". Nach zwei Stunden fuhr die Familie mit Guide im klimatisierten Jeep weiter zur nächsten Station. Wir trafen sie erst wieder zum Abendessen im 2. Wüstencamp.

Dort unterhielten wir uns sehr lange mit ihnen und tauschten unsere bisherigen Marokko Erfahrungen aus. Sie kamen direkt aus Marrakesch - was unsere übernächste Station war. Die beiden elfjährigen Zwillinge Manon und Adrian waren für ihr junges Alter erstaunlich klug und sogar ein wenig weise. Manon dachte laut darüber nach, ob es den Tieren, die für den Tourismus eingesetzt werden, auch gut gehe. Sie meinte damit die dressierten Affen und Schlagen in Marrakesch und unsere Dromedare. Die Kinder sind mit ihren Eltern schon viel gereist und wurden zweisprachig erzogen, da die Eltern ursprünglich aus Frankreich stammen. Ergo: Reisen bildet auch schon die Kleinen. :)

Wie sieht denn eigentlich so ein Wüstencamp aus?

Luxuriöser als man denken mag. In den Zelten für 2 bis 4 Personen kann man normal stehen. Entweder es gibt Matratzen auf dem Boden oder richtige Eisengestellbetten. Das Frühstück entspricht normalem Hotelstandard. Da die meisten Wüstencamps über Solarmodule mit Strom versorgt werden, gibt es jede Menge gekühlter Getränke. Es bietet sich an aus dem Hotel gefrorene Wasserflaschen mitzunehmen. Diese halten sich eine Nacht lang. Die Sanitäranlagen entsprechen nicht den Standards, den Pauschaltouristen gewohnt sind. Es gibt ein Chemie-Klo und ein Behälter mit Wasser zum Hände waschen. Bestenfalls gibt es noch ein einfaches WC, wie im 2. Camp. Duschen gibt es keine, dafür aber einen Spiegel. ;) Die Zähne putzt man mit Trinkwasser. Handseife, Handtuch, aluminiumfreies! Deo und Zahnbüste reichen für 2 Nächte völlig aus. Dank der trockenen Hitze schwitzt man nicht stark und die Haare fetten auch nicht stark. Übrigens: Im 2. Camp lagen zwei Snowboards. Wer es sich also zutraut, kann die Düne mit dem Board runterheizen. :)


1. Wüstencamp

2. Wüstencamp


Schlafen unter freiem Himmel

Unser Zelt ist auf der rechten Seite


Welche Gesprächsthemen sollte man besser vermeiden?

Als die Sonne schon längst untergegangen war, saßen wir noch immer zusammen und unterhielten uns. Dabei kamen wir zufällig auf den bevorstehenden Ramadan zu sprechen. Unser Stadtführer in Fès hatte uns darüber bereits einiges erzählt. Er sprach von den Vorbereitungen dafür, von den Massen an Essen, die extra dafür hergestellt werden, von der Freude der Menschen darauf und dass es eine große, sehr große Bedeutung für die Marokkaner hat. Und dann fragte eines der Kinder: "Was passiert, wenn man das Fasten bricht?" Mohamed blieb regungslos stehen und sagte nichts. Ich schaute ihn an und wiederholte die Frage auf Englisch, weil ich dachte, dass er sie auf  Französich nicht verstanden hatte. Obwohl er besser Französisch als Englisch spricht. Er schaute uns noch eine Weile an und ging ohne ein Wort zu sagen weiter. Gut zu wissen. Das ist wohl ein Thema worüber nicht gesprochen wird. Am nächsten Tag las ich auf dem Weg nach Skoura im Reiseführer des Veranstalters, dass es einmal ein öffentliches Picknick in einem Park während des Ramadans gab, die Initiatoren fanden sich im Gefängnis wieder. Was genau passiert, wenn ein Marokkaner das Fasten bricht, kann ich nicht sagen. Aber eigentlich existiert diese Möglichkeit in den Köpfen der meisten Menschen nicht. 

Man spricht also nicht über Religion, Ramadan, König und die Regierung. Themen, die die Rechte von Frauen betreffen, würde ich auch umgehen. Das Thema Politik, insbesondere der Konflikt um die West-Sahara, wird ebenfalls nicht angesprochen. Christoph fragte aus Unwissenheit, als Mohamed auf die algerische Grenze deutete, warum man nicht von Marokko aus dort einreisen könne. Er bekam lediglich die knappe Antwort: "Es gab da mal ein Problem."





Nach diesem Fauxpas, kletterten wir auf die große Düne hinter unserem Zelt und schauten uns bis 2 Uhr nachts die Sterne an. Dieser Anblick ist einfach atemberaubend schön. Das musste ich einfach wieder erwähnen, auch wenn ich es schon im letzten Teil ausführlich geschrieben hatte. Mitten in der Nacht ging dann urplötzlich der Mond auf. Wir wunderten uns was dort hinten in der Ferne aufblitzt und recht schnell größer wird . :) Als wir da im Sand lagen, sahen wir zwei Sternschnuppen. Völlig müde, aber glücklich kletterten wir diesmal ohne Taschenlampe, da es durch den Mond recht hell war, die Düne hinunter und gingen schlafen.

Am nächsten Morgen schienen Mohamed und seine Kollegen unsere Fragen vom Vorabend vergessen zu haben. Nach dem Frühstück ritten wir zurück zum Hotel, duschten ausgiebig und planschten  im Pool ehe wir unsere Fahrt nach Skoura antraten. Seid gespannt auf den nächsten Teil. :)


Sonnenaufgang


Fotos: C. Jobst und M. Kuntze

3 Kommentare:

  1. Hallo Myriam,
    was für ein megatoller Reisebericht!!! Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Teil und die nächsten tollen Bilder dazu!
    Absolut informativ geschrieben! Danke dafür! :-)

    Viele Grüße,
    Claudi

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  2. Liebe Myriam,
    vielen Dank für diesen tollen Reisebereicht. Da kann ich mir gut vorstellen, dass man hinterher manchmal ins Tagträumen verfällt, irgendwo die Augen zumacht und an die Wüste denkt...Bin gespannt, was im nächsten Teil so alles passiert...

    Liebe Grüße
    Petra

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  3. Ich habe mich sehr über deine Kommentare gefreut. Da haben wir ja ein ähnliches Verhältnis zu Berlin;)
    Reiseberichte und schöne Fotos - mein Ding. Ich folge dir.
    Lieben Gruß
    Melly

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