Sonntag, 26. Oktober 2014

Der Schatz auf dem Dachboden

Wer träumte nicht als Kind davon, einmal einen echten Schatz auf dem Dachboden zu entdecken. Nun ich kann voller Freude behaupten, dass ich einen gefunden habe. Zwar sprechen wir nicht von Gold- und Silbermünzen, er ist aber trotzdem nicht weniger wertvoll für mich. Als wir vor einigen Jahren unseren Dachboden aufräumten, fielen mir kistenweise alte Zeitungen und Zeitschriften in die Hände. Die ältesten stammen aus der Zeit des 1. Weltkrieges. Viele Jahre schliefen die Zeitschriften friedlich in zugedeckten Holzkisten vor sich hin und überdauerten so die lange Zeit, in der zwei Weltkriege und eine Revolution geschehen sind. Aber heute habe ich einen Teil davon aufgegeweckt und nehme euch mit auf eine fast 100 jährige Zeitreise durch die Welt der Presse.

Lustiges Blatt - Sorglos


Bevor es losgeht, möchte ich noch eine wichtige Sache vorausschicken:
Die Presse ist seit jeher ein Instrument der Meinungsmache in der Bevölkerung. So muss man bei jeder Schlagzeile, die politischen Machtverhältnisse und das Erscheinungsdatum im Blick haben. Man muss die einzelnen Ereignisse nicht nur in den richtigen zeitlichen Kontext einordnen können, sondern auch die Absicht hinter jeder Titelstory kritisch hinterfragen - das gilt für die damaligen Zeitungen genauso wie für die heutigen.

Ich überlasse es euch, wie ihr die ausgewählten Schlagzeilen einordnet, kritisch hinterfragt und freue mich jetzt schon auf eure Kommentare. :)

Zu den ältesten Schätzen gehören einige Exemplare "Lustiges Blatt". Hierbei handelt es sich um eine Wochenbeilage der "Berliner Allgemeinen Zeitung". Meine Ausgaben stammen aus der Zeit zwischen Dezember 1915 und Oktober 1916. Thematisch greift das Wochenblatt den Krieg satirisch und humorvoll in farbigen Bild- und Textbeiträgen auf. Oft geht es um "leichte Themen" wie die Liebe.

In der Ausgabe vom Freitag, den 15. September 1916 ist auf der Titelseite eine junge hübsche Frau mit einem Soldaten, der eine Armbinde trägt, abgebildet. Beide sitzen in einem kleinen Boot (vermutlich ein einem ruhigen Spreearm) umgeben von Schwänen in einem malerischen Waldstückchen. Die Unterschrift lautet: "Sorglos. "So steuern Sie doch, Herr Leutnant, ich fahre ja sonst immer im Kreis herum." "Macht nichts, Fräulein, ich habe  noch vier Wochen Urlaub.""


In einer anderen Ausgabe vom 6. Oktober 1916 sieht man eine junge Frau im blass roten Kleid mit zwei Matrosen auf einer hölzernen Brücke stehen. In der Ferne sind Schiffe zu erkennen. Die Bildunterschrift: "Die Ängstliche. "Fahren Sie doch mal mit, Fräulein, auf unserem Unterseeboot." "Das geht nicht, - Tauchen hat mir der Arzt verboten.""

Als nächstes halte ich die 2. Ausgabe der "Frauen-Fleiß" in meinen Händen. Die Ausgabe ist vom 31. Oktober 1930 und kostete 50 Pfennig und 5 Pfennig Besorgungsgebühr. Hier konnten die Frauen viele Anregungen für Handarbeiten entnehmen, es gab große Handarbeitsbögen und gebrauchsfertige Aufbügelmuster. Es gibt beispielsweise einen Artikel über Buntstickereien und gemalte Lampenschirme. Am Anfang und am Ende der Zeitschrift gibt es wie heute viel Werbung. Zahnpasta, Backpulver und Cremes werden beworben.
 

Dann entdeckte ich weitere Frauen Zeitschriften: Die "Deutsche Frauen Zeitung" ist ein "häuslicher Ratgeber". In der Februar Ausgabe 1939 werden Fragen besorgter Mütter beantwortet, wie etwa wann es an der Zeit ist die eigene Tochter aufzuklären oder wie man mit zehnjährigen Buben umgeht, die keine langen Strümpfe mehr tragen möchten. Ein Ausblick auf die kommende Frühjahrsmode durfte natürlich auch nicht fehlen.


Neben Zeitschriften, die sehr deutlich das Bild der damaligen Frau portraitieren, gibt es auch eine Reihe von Ratgebern und Tageszeitschriften.

Als nächstes gewähre ich euch einen Einblick in die Wochenzeitschrift "Praktischer Wegweiser", die sich mit Themen rund um Landwirtschaft und Gartenbau beschäftigt. In der Ausgabe vom 8. Dezember 1938 geht es u.a. um die Voraussetzungen für den erfolgreichen Schnitt der Obstgehölze, wie man das Kartoffelland bearbeitet und düngt und wie man den Kleewuchs im Geflügelauslauf fördert. Allein an diesen Überschriften sieht man, dass die Menschen, vorallem die auf dem Land, damals noch Selbstversorger waren.


Mein Blick fällt nun auf eine andere Zeitschrift, zunächst schweift er auf die großflächige Werbung für Lanz Dreschmaschinen ab, ehe ich den Titel der Zeitschrift lese: "Mitteilungen für die Landwirtschaft". Über den Worten "für die" thront ein Adler, der seine Klauen auf das Schriftband " Blut und Boden" abstützt, darunter das Hakenkreuz. Diese Zeitschrift ist vom 19. November 1938. Die Themen sind ähnlich es geht um Viehzucht und den besten Dünger.

Die Exemplare vom "Telegraf" sind schon ganz grau und scheinen bei Tageslicht zu Staub zu verfallen. Der Telegraf ist eine Tageszeitung "Mit Zulassung Nr. 19 der britischen Militärregierung. Die Ausgabe vom 25. Juni 1947 titelt: "Britische Deutschland-Denkschrift für Paris" und "USA Streiks als Antwort - 123 000 Kohlenarbeiter im Ausstand - Truman beruft Konferenz ein"


Die "Märkische Volksstimme" war die kostenlose Heimatzeitschrift für den Oberbarnim Kreis (heute östliches Brandenburg). Unter der dem Titel steht "Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands". In der Ausgabe vom 15. Februar 1952 bestimmen 2 Themen die Titelseiten: Der bevorstehende Friedensvertrag mit den Siegermächten und der harte Winter. 

Die Schlagzeilen: "Appell an die vier Großmächte - Schreiben der Regierung der DDR an die UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich - Gerechter Friedensvertrag gefordert" und "Schneekatastrophe in Westdeutschland" sowie "Brockenbewohner eingeschneit".

Nun kommen wir zu dem großen Stapel mit Exemplaren der "Berliner Zeitung". In der Ausgabe vom 14. Juli 1966 wird mit "Heute zu gewinnen" auf eine neue Radiosendung der DDR hingewiesen. Dort können die Hörer sogar einen Wartburg gewinnen. In der Sonntagsausdabe vom 6. August 1966 ist die oberste Schlagzeile: "DDR ist die Hoffnung aller guten Deutschen". Eine weitere Überschrift lautet " CIA- Agenten unter Anklage", es geht darum, dass 3 Männer, die im Auftrag des US-Geheimdienstes und des BND "friedensgefährdende Provokation an der Staatsgrenze der DDR" verübt haben sollen. Der kalte Krieg ist in vollem Gange. Etwas weiter unten steht noch unter "Brief an US-Soldaten", dass sich 2 US-Soldaten in einem offenen Brief an ihre Kollegen gewandt haben sollen, sie sollen nicht mehr im Vietnam-Krieg kämpfen, sondern sich wehren und nach Hause zurückkehren.


In einer anderen Ecke finde ich noch einen weiteren großen Stapel BZ. Die Ausgabe vom 12. März 1966 titelt freudestrahlend: "DDR-Antrag ist UNO-Dokument". Die DDR hatte einen Antrag auf Aufnahme in die UNO gestellt, der als offizielles Dokument allen 117 Mitgliedsstaaten zugesandt wurde.

Und zum Schluss noch eine Schlagzeile vom 22. Oktober 1969: "Atomkraftwerk für Finnland - Seit über 20 Jahren bewährt: Vertrag mit der Sowjetunion. Es geht darum, dass bis zum Jahr 1975 in Finnland das erste Atomkraftwerk des Landes entstehen soll. Der Tenor des Artikels ist positiv, man freue sich, dass sich die finnische Regierung in Anbetracht des "raschen industriellen Wachstumstempo" zu diesem Schritt entschlossen hat. Über die negativen Folgen von Atomenergie für Menschen und Umwelt steht nichts geschrieben.

Zwischen den vielen Berliner Zeitungen hat sich noch ein "Neuer Tag" versteckt. Rechts über dem Titel steht "Proletatier aller Länder, vereinigt euch!". Es ist die Regionalzeitung der SED für den Kreis Frankfurt/Oder.
Die Ausgabe vom 8./9. August 1964 kann damit aufwarten, dass der "Staatsplan in Getreide erfüllt" wurde. Darin wird die Arbeit der der "Genossenschaftsbäuerinnen - und bauern, Landarbeiter, Mähdrescherfahrer und Traktoristen" gelobt und gewürdigt. Es wurden sogar 551t Getreide mehr abgeliefert  - "zu Ehren des 15. Jahrestages unserer Republik", versteht sich, wie es im Text weiter heißt. ;)


Bleiben wir noch ein Weilchen in der 60er Jahren. Ist es doch so schön. :)  Die "Neue Berliner Illustrierte" (kurz NBI) fragt im Märzheft 1964: "Was hab´denn ich von der (Leipziger) Messe". Die Frühjahrs- und Herbstmessen in Leipzig sollen legendär gewesen sein. Dann tummelten sich Menschen aus allen Ländern in der Messestadt - auch aus der BRD. 

Ich muss kräftig schmunzeln, als ich den Artikel "Samuel melkt Mäuse" lese. Ein New Yorker soll tatsächlich 20 000 Mäuseweibchen gemelkt haben, um 32l Milch zu bekommen, deren Wert sogar noch auf unglaubliche 1 Million schweizer Franken geschätzt wird. Wahrlich zum Mäuse melken - solche Meldungen! In der gleichen Ausgabe geht es noch um eine "Puma-Operation" und um den letzten Teil der Marokko- Reportageserie "Der Pascha und der Rat der Leichen" - klingt interessant, werd ich glatt mal lesen.


NBI scheint eine interessante, wenn nicht sogar provokante Zeitschrift zu sein, titelt noch die Februar Ausgabe. "Ein Frauenarzt über Intimes zur Frage: Muss denn Liebe Ehe sein?"

So das solls ersteinmal mit der Zeitungsschau gewesen sein. Fandet ihr meinen Beitrag interessant und wollt sogar demnächst mehr Schlagzeilen aus längst vergessenen Tagen lesen? Oder ist die Zeitung von gestern nur noch dafür gedacht tote Fische vom Markt einzuwickeln?

5 Kommentare:

  1. Liebe Myriam,
    das war ja ein ordentlich großer Stapel an alten Zeitungen, den du auf dem Dachboden gefunden hast - viel zu schade,
    um Fische darin einzuwickeln. Sehr interessanter Post! So weiss ich jetzt auch, dass es einmal ein lustiges Blatt gab...

    Liebe Grüße
    Petra

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    1. Was meinst du, hätte es Potential für noch einen weiteren Artikel? Vielleicht auch mit Zeitschriften von 1939-45? LG Myriam

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  2. Liebe Myriam,
    wow, ich muss sagen ich finde deinen Beitrag richtig spannend. Ich liebe das Stöbern in alten Zeitschriften, es ist ein richtiger Blick auf alte Zeiten. Sowohl inhaltlich aber vor allem auch optisch ist das doch eine richtig spannende Zeitreise. Ich freue mich mehr davon zu lesen und zu sehen bei dir. Von wem stammen denn all die Schätze? Von deinen Großeltern? Das motiviert mich wirklich eigene Zeitschriften von heute aufzubewahren. Wer weiß was das in 100 Jahren für ein spannendes Bild auf 2014 wirft :-)
    Liebe Grüße
    Anke

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    1. Die Zeitschriften sind von einer älteren Dame, die 1898 geboren wurde. Sie war die Vorbesitzerin unseres Hauses und hat uns diesen Schatz nach ihrem Tod hinterlassen.
      Wenn ich das nächste Mal zu Hause zu Besuch bin, werde ich neue Zeitschriften mitnehmen und vielleicht noch ein paar Feldpostkarten, die Soldaten aus dem 1. WK geschrieben hatten. Wenn ich nur die altdeutsche Schrift auf den Posrkarten entziffern könnte, dann wüsste ich auch, was sie geschrieben haben. LG Myriam

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  3. Hallo Myriam,

    also bei mir auf dem Dachboden würde man, neben einigen Spinnweben mitsamt Bewohnern jede Menge Bücher und natürlich die "alten" Spielsachen und Klamotten meiner Kids finden. Aber wer weiß, vielleicht sind die in 100 Jahren auch mal wertvoll ;-)

    Liebe Grüße

    fantasylife

    Übrigens, ein kleiner Tipp für die Altdeutsche Schrift -> http://www.suetterlinschrift.de/Lese/Sutterlin0.htm

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