Sonntag, 11. Oktober 2015

Kuba Teil 5: Havanna - Vom verschlissenen Glanz einer Diva

Die Blätter fallen in den prächtigsten Farben von den Bäumen - es ist Herbst. Die Temperaturen fallen deutlich und der Sommer ist nur noch eine Erinnerung. Daher sitze ich heute bei einer Tasse Tee an meinem Esstisch und durchstöbere die Fotos von unserer Kubareise im Mai. Mein letzter Reisebericht über Havanna ist noch offen. Havanna ist eine Sehnsuchtsdestination. Zwischen Verfall, Lebensfreude und kubanischen Rhythmen verstecken sich viele schöne Geschichten über die größte Stadt der Karibik.



Die letzten Hügel des Escambray Gebirges verschwanden im Rückspiegel unseres Mietwagens als wir am 19. Mai in Richtung Havanna fuhren. Den größten Teil der Strecke konnten wir auf der Autobahn fahren. Das war relativ entspannt. Unser Handy Navi hat eine gute Route zum Hotel berechnet. Nur einmal war die Straßenführung in Havanna unübersichtlich und ich stand prompt in Richtung des Gegenverkehrs auf den Eisenbahnschienen. Aber anstatt eines lauten Hupkonzerts fuhren die Autos an mir vorbei und ich wartete auf eine Lücke und zog quer über die Fahrbahn auf die richtige Spur. Nachmittags gegen 15 Uhr war das kein Problem. 

Jörg hatte uns bereits in Trinidad vorgewarnt, dass neben unserem Hotel eine große Baustelle sei. Und so war es dann auch. Tag und Nacht wurde ein Hotel saniert.

Unser Hotel - Das Plaza
Unser Hotel, das Plaza, wurde 1909 erbaut. Angesichts der prächtigen Eingangshalle fühlte ich mich ein wenig wie auf der Titanik. Der erste Eindruck blieb leider nicht lange erhalten. Unser Zimmer war ein kleiner dunkler Bunker mit 2 Einzelbetten. Das ging ja mal gar nicht. Also verlangte ich nach einem größeren Doppelzimmer in dem ich keine Platzangst bekommen würde. Das zweite Zimmer war größer und heller, hatte aber kein warmes Wasser und wahrscheinlich noch eine Matratze aus den Tagen der Hoteleröffnung. Aber ich will mich nicht beklagen. Das ist Kuba und damit muss man einfach rechnen. Dafür gab es ein üppiges Frühstücksbuffet auf der Dachterrasse.

Am Abend schlenderten wir auf der kilometerlangen Uferpromenade namens Malécon in den Sonnenuntergang. Hier treffen sich abends die Kubaner. Sehen und gesehen werden - ist das Motto. Die Oldtimer düsen über die vier-spurige Straße an uns vorbei. Fahren sie bewusst so schnell oder funktionieren die Bremsen einfach nur nicht mehr?

Angler reihen sich neben Pärchen, die eng umschlungen, auf das Meer blicken und die Welt um sich herum vergessen wollen. Ein warmer, fischiger Windhauch erreicht den Malécon. Blickt man zur anderen Straßenseite stechen die verfallenen Häuser sofort ins Auge. Die meisten von ihnen sind hell erleuchtet - also noch bewohnt. Einige werden restauriert. Die Stadt ist ein großer Flickenteppich. An allen Ecken und Enden wird gewerkelt. Wie bei einer alten Diva, die ihr Alter durch immer mehr Make-up übertünschen will.



Langsam scheint die Stadt zur Ruhe zu kommen. Unser Ziel für den heutigen Abend ist das legendäre Hotel Nacional de Cuba. Hier gaben sich die großen Mafiabosse die Klinke in die Hand und der ein oder andere große Deal wurde ausgehandelt. Auch Touristen, die nicht im Hotel übernachten, sind willkommen. Wir haben uns die imposante Lobby mit den Relikten der vergangenen Jahrzehnte angeschaut, ehe wir im Innenhof einen Cocktail tranken und vom Korbsessel aus in die Nacht hinaus blickten - von hoch oben und den Blick schweifend über den Malécon gerichtet.

Aber auf Kuba war es nicht immer so friedlich:

Im Frühjahr 1952 gelang es dem General Batista die Macht auf dem Inselstaat an sich zu reißen. Dies schaffte er nur mit Hilfe US-amerikanischer Geheimdienste. Binnen kürzester Zeit entstand ein Mafia-Staat. Glücksspiel, Drogen- und Waffelhandel florierten genauso wie die Prostitution und die Geldwäsche. Kuba wurde zum Bordell der USA degradiert. Billigflüge lockten viele Touristen in das Las Vegas der Karibik. Die Gewinne aus den Nobelhotels, Spielcasinos und anderen illegalen Geschäften steckten sich die Mafia Bosse in die eigene Tasche. Bei der einfachen Landbevölkerung kam nichts an. Fidel Castro und seine Verbündeten setzten dem Mafia-Staat jedoch mit der sozialistischen Revolution Silvester 1958/59 ein Ende.


Abends am Malécon

Hotel Nacional de Cuba

Der Hauch von Luxus spiegelt sich auch in den Getränkepreisen wieder. Ein Cocktail kostet 5 CUC. Normalerweise muss man dafür nur 2,5 bis 3 CUC  bezahlen.

Aber das Hotel Nacional de Cuba, im hispanisch-maurischem Stil mit Artdeco, ist auch nicht irgendein Hotel. Schließlich blickt es auf eine bewegte Geschichte zurück. 1930 eröffnete das Fünf-Sterne-Hotel und beherbergte seitdem viele prominente Persönlichkeiten, aus der Politik, Wirtschaft und Unterhaltung - und Mafiosis.

Die beiden Mafia Bosse Meyer Lansky und Lucky Luciano organisierten im Nacional den größten Mafia Kongress der US-Mafia. Das war im Dezember 1946. Rund 500 Mafia-Angehörige samt Kind und Kegel trafen sich im Hotel, um die Geschäfte auf Kuba unter sich aufzuteilen. Für die Öffentlichkeit wurde ein Frank Sinatra Konzert als Grund der Zusammenkunft vorgeschoben. Wer noch mehr erfahren möchte: Link: Hotels in Havanna - Paradies der Gangster

Am nächsten Morgen holte uns unser Stadtführer für eine private Führung durch Havanna ab. Gleich neben unserem Hotel befindet sich die große Baustelle. Die "legendären" Einschusslöcher bleiben jedoch erhalten, da sie ein Teil der Stadtgeschichte darstellen. Die Mafiosis hatten damals beschlossen (vermutlich auch auf dem Mafia Kongress im Nacional), dass einer von ihnen sterben muss und die Löcher in der Hotelmauer sind eines der letzten Überreste jener bewegten Tage.

Einschusslöcher - Rekikt der Mafiaherrschaft aud Kuba


Wir laufen am Capitol vorbei, das nicht zufällig starke Ähnlichkeit mit dem in Washington aufweist. Mittlerweile wurde es mit deutscher Unterstützung saniert.

Unser Stadtführer erklärt uns, dass Kuba nach der Revolution im Jahr 1959 in einen tiefen technischen Winterschlaf gefallen sei. Vor 1959 gab es einen schnellen Fortschritt. Das Land hatte sogar noch vor Spanien eine Eisenbahn. Nach der Revolution gab es dann eher einen sozialen Fortschritt. Heute sind das Bildungs- und Gesundheitswesen auf Kuba kostenfrei für alle Menschen. Das schließt, laut unserem Stadtführer, auch Schönheits-OPs mit ein. ;-) .




Hemingway´s Lieblingsbar

Wir erzählen ihm von unserer Tradition - ein neues Land, ein neuer Supermarkt - und er führt uns in ein kubansisches Warenhaus. Das Erdgeschoss ist dunkel, links uns rechts reihen sich Theken aneinander. Es werden Fisch, Fleisch und Käse verkauft. In der 2. Etage kann man Kleidung kaufen. Das Angebot ist spärlich und viel zu teuer. In der 3. Etage kann man Elektrogeräte kaufen. Das Angebot beschränkt sich aber auf Toaster und Mixer. Ein eher ernüchterndes Bild. Die Kubaner selbst müssen übrigens auch viel in der Devisenwährung CUC bezahlen, es gibt immer weniger das sie in ihrer heimischen Währung CUP kaufen können. Wahrscheinlich wird auch bald das System mit den 2 Währungen abgeschafft werden. Als wir aus der Dunkelheit zurück ins Sonnenlicht treten, können wir nur blinzeln und zücken schnell wieder unsere Sonnenbrillen.



Man kann nicht durch Havanna laufen ohne Hemingway zu begegnen. Der amerikanische Schriftsteller lebte einige Zeit in Havanna und seine Lieblingslokale und -hotels sind zu wahren Pilgerstädten für Hemingway-Fans geworden.



Wir steuerten das berühmte Hotel "Ambos Mundos" an. Hemingway hat hier genächtigt und wahrscheinlich auch, wie wir, den ein oder anderen Cocktail (für 3 CUC) auf der Dachterrasse geschlürft. Der Fahrstuhl ist noch aus dem Jahre 1925 und wird von Hand bedient. Als wir ankamen, war er jedoch gerade kaputt und wir mussten die Treppe nehmen.

Der Ausblick ist wirklich schön. Man sieht den Hafen, hat einen guten Überblick über die Stadt und kann sogar bis zur Raffinerie blicken, die unaufhörlich das Rohöl aus Venezuela verarbeitet.

Und dann erlebten wir jenen historischen Moment mit, von dem unser Reiseführer später meinte, dass er die gleiche Bedeutung habe, wie der Mauerfall für Deutschland. Seit der Revolution lief die erste Regatta Miami-Havanna mit lautem Getöse in den Hafen von Havana ein. Alle stürmten zum Geländer der Dachterrasse und zückten ihre Handys und Kameras, um diesen einzigartigen Moment festzuhalten. Wow - und wir waren dabei.

Die Regatta Miami-Havanna läuft in den Hafen ein

Die Raffinerie

Blick auf die Altstadt


Wir liefen an weiteren historischen Stätten vorbei. Zum Beispiel am Gouverneurspalast. Der Weg vor dem Palast ist mit Eichenholzbrettern "gepflastert", denn auf den Steinwegen machten die damaligen Kutschen zu viel Lärm, so dass der Gouverneur davon wach wurde und kurzerhand anordnete den Weg mit Holzbrettern auszustatten. Verständlich. Oder? Nichts geht übers Ausschlafen.




Seit unserer Mojito-Pause auf der Dachterrasse waren schon wieder 2 Stunden vergangen und so setzten wir uns einen GPS-Punkt vor dem Schokoladenmuseum, um es für eine spätere Pause wieder zu finden Das Museum besteht aus drei Vitrinen und sieben Tischen sowie einem Verkaufstresen. Es gab Tiere, Zigarren und Pralinen aus Schokolade zu kaufen. Außerdem konnte man eine gekühlte Vollmilchschokolade für 1 CUC schlürfen. Lecker!!!!


Blick ins Museums-Café

Pralinen hergestellt in Havanna

Die leckerste kalte Trinkschokolade der Welt. Wirklich!


Abends suchten wir uns ein Restaurant aus dem Reiseführer heraus uns schlenderten wieder in Richtung Malécon. Das Castropol wurde 1929 gegründet und macht leckere Pizzen. Eine Pizza kostet durchschnittlich 6 CUC. Das Restaurant ist neu renoviert und sticht mit seiner gelben Fassade aus seiner Umgebung hervor. Der Service ist freundlich, spricht Englisch und ist sehr schnell. Wer einen guten Platz erwischt, kann beim Essen den Sonnenuntergang sehen. Übrigens werden die Pizzen in einem Steinofen gemacht. Lecker! Dass es einen Ventilator gibt, sollte ich angesichts der Temperaturen auch noch erwähnen. Das war nach dem Restaurant in Trinidad schon der 2. sehr gute Tipp aus meinem Reiseführer.

Malécon

Am Tag unserer Abreise haben wir Havanna noch einmal im Schnelldurchlauf abgehandelt. Zuerst waren wir zum zweiten Mal im Schokoladenmuseum - das musste einfach sein - und dann tranken wir auf der Dachterrasse des Ambos Mundos noch einen Mojito und lauschten den karibischen Klägen ein letztes Mal. Ich stopfte außerdem noch die Rum Pralinen aus dem Museum in mich hinein. ;-)




Tja und dann wartete auch schon das Taxi am Hotel auf uns. Die Fahrt von der Altstadt zum Flughafen kostet 25 CUC. Das ist so eine Art Festpreis. Basti unterhielt sich mit dem Taxifahrer über Autos auf Kuba. So verriet er uns, dass ein Bekannter ihm Öl und Ersatzteile aus Panama mitbringen würde. Woher er aber einen Audi A4-B6 als Taxi hatte, wollte er nicht verraten. ;-)

Kuba ist mindestens eine Reise wert - man lernt mehr Gelassenheit und trotz der Widrigkeiten des Alltags das Leben stärker zu genießen. Kuba wird immer in meinem Herzen bleiben.

3 Kommentare:

  1. Na ich bin einmal gespannt! Am 29. Dezember ist es auch bei mir soweit und ich freue mich schon sehr darauf. Der Beitag macht auf jeden Fall Lust auf mehr. :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh wie schön, über Silvester auf Kuba. Hast du auch geplant nach Vinales zu fahren? Alle, die wir unterwegs getroffen hatten und die dort waren, haben davon geschwärmt.
      Viel Spaß auf Kuba.
      Grüße Myriam

      Löschen
  2. Das Schokoladenmuseum ist mir deshalb so wunderbar in Erinnerung, weil .... betritt man den Raum ist alles erfüllt durch einen sehr angenehmen kühlen Schokoladengeruch. Leider ist manchmal eine Schlange davor. Gegenüber eine Cafeteria, typischer cubanischer Stil, für eine Tasse ein peso national! Aber es gab auch churros, nicht die auf der "mainstreat" für CUC, sondern in der Nebenstrasse für pesos. Das ist Cuba, nicht das Andrehen schlechter Zimmer. Dafür muß man auch berücksichtigen, daß eine Übernachtung etwa das zweifache eines durchschnittlichen Monatsverdienstes entspricht. Überlege doch mal, solltest Du für eine Übernachtung 2.500€ bezahlen, dann muß schon Luxus dabei sein! Ein Cubaner verdient etwa 12 - 18€/Monat! Was ich vermisse sind die ständigen Betrügereien und Anmachen. Bei mir war es wie Spießrutenlaufen, entweder hast Du es nicht gemerkt, oder ignoriert. Nach Deinem Bericht hast Du es teilweise nicht gemerkt! - Du bist in Fallen getappt! Aber was soll's. Leidtragend sind nicht nur die Touristen, sondern die vielen herzensguten Cubaner! Alles zusammen, bis auf die Fehler - wie ich meine, - sehr gut geschrieben und besonders für die kurze Zeit, welche Du dort warst. Großes Kompliment.

    AntwortenLöschen

Für die Kommentarfunktion auf diesem Blog werden neben Ihrem Kommentar auch Angaben zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommentars, Ihre E-Mail-Adresse und, wenn Sie nicht anonym posten, der von Ihnen gewählte Nutzername gespeichert. Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie in die Datenspeicherung ein.