Sonntag, 18. Oktober 2015

Wie Tulpen für den ersten Börsencrash der Geschichte sorgten

Tulpen, Tulpen, Tulpen - so weit das Auge reicht. Wenn mich jemand nachts weckt und mich fragen würde: Was ist für dich typisch holländisch, würde ich reflexartig "Tulpen" antworten. Dabei kommen die Blumen ursprünglich gar nicht aus Holland, sondern aus der Türkei. Im 16. Jahrhundert wurden sie importiert und hielten schnell Einzug in die Herzen der Holländer. Berühmte Künstler verewigten sie in pompösen Ölgemälden und die Blumenzwiebel war sogar so begehrt, dass sie zur ersten großen Spekulationsblase in der Geschichte der Ökonomie führte. Ja ja, die Tulpe ist gar nicht so harmlos, wie ihr vielleicht dachtet ...






 Es gab eine Zeit da hatten drei Tulpenzwiebeln den Wert von einem Einfamilienhaus.

Aber fangen wir von vorne an: Wie kam es dazu? 

Man könnte behaupten, dass der Botaniker Carolus Clusius den Stein ins Rollen brachte, als er im Jahre 1592 das erste Buch über Tulpen schrieb und sie im Botanischen Garten seiner Heimatstadt Leiden kultivierte.


Clusius hatte sie ursprünglich als Heilpflanze angebaut, heute wissen wir aber, dass Tulpen den Stoff Tulipanin enthalten und für Mensch und Tier giftig sind. Dieser Stoff verursacht Erbrechen, Magen- und Darmbeschwerden sowie Bauchkrämpfe. 

Die Blumen waren trotzdem so beliebt, dass sie sogar aus seinem Garten gestohlen wurden. Hoffen wir mal nicht zum Essen, sondern zum Verschenken - vielleicht sogar für die Liebste.

Da die Pflanze selten war, avancierte sie schnell zum Status- und Liebhaberobjekt. Also sozusagen die Rolex der 1630er Jahre.

Bald darauf wurden Termingeschäfte (neudeutsch Futures) abgeschlossen - also Verträge, die erst in der Zukunft erfüllt werden mussten. Die Tulpen schlummerten da meistens noch unter dem Schnee - sprich sie waren noch gar nicht erblüht.



Dass diese Geschäfte damals wie heute sehr riskant waren bzw. sind, versteht sich von selbst. Was war, wenn die Tulpen gar nicht von der seltenen Sorte waren, wie erhofft, sondern "ganz gewöhnliche Tulpen"? Dann sank der Preis und man hat ein Verlustgeschäft gemacht.

Mit den Blumenzwiebeln wurde spekuliert was das Zeug hielt, bis sich sie Balken bogen. Man konnte damit richtig viele Gulden verdienen.

Hier ein Beispiel, dass ihr einen Eindruck von dem Wert bekommt:

  • Die seltenste Sorte "Semper Augustus" kostete schlappe 10.000 Gulden. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Holländers betrug damals gerade einmal 150 Gulden.

Eine Weile ging das gut, es wurde munter weiter spekuliert, Optionsscheine wurden bis zu zehn Mal weiterverkauft. Einige Händler besaßen gar kein Bargeld mehr und hofften die Optionsscheine, an den nächsten Käufer durchreichen zu können. Die ganze Sache gipfelte dann mit Leerverkäufen. Die Händler wollten etwas verkaufen, in dessen Besitz sie noch gar nicht waren. Sie spekulierten einfach darauf, dass sie die Tulpen später günstiger einkaufen als verkaufen könnten und wollten sich die Differenz als Gewinn einstreichen.

Tulpenbeet

Und so passierte, was passieren musste: Die Spekulationsblase platzte 1637 und der Preis für Tulpen ging richtig in den Keller. Der Preis soll um bis zu 95% eingebrochen sein. Hatte eine Tulpenzwiebel also am Dienstag noch einen Wert von 100 Gulden gehabt, war sie am Donnerstag nur noch 5 Gulden wert.

Panik machte sich breit. Alle wollten verkaufen, aber keiner wollte kaufen. Die Krise war perfekt.

Tulpenzwiebeln, die vor einer Woche noch maßlosen Reichtum versprachen, waren plötzlich in den Augen der Spekulanten "nur" noch Blumenzwiebeln.

Im Endeffekt wurde verhandelt, debattiert, Verträge gebrochen und die Klagen dagegen liefen ins Leere. "Die Gerichte weigerten sich von diesen Spielgeschäften Notiz zu nehmen." Quelle und weitere Hintergrundinfos

Tulpenzwiebeln

Die Spekulanten hatten sich verzockt und die Regierung sah es nicht als ihre Aufgabe an, "Zockern" unter die Arme zu greifen. Es dauerte noch viele Jahre bis sich das Land von der Tulpenmanie erholte - aber sie schafften es, sogar ohne staatliches Eingreifen.

Und die Holländer sind mittlerweile wieder große Tulpenfans und -produzenten. Mehr als 80% der Welt-Tulpenproduktion stammt aus den Niederlanden. Das Land ist die Drehscheibe für den weltweiten Blumenhandel. Link

Es gibt sogar ein Pflanzenauktionshaus, namens FloraHolland, das täglich um die 20 Millionen Blumen und Pflanzen verkauft. Die Pflanzen werden hier im Sekundentakt in großen Mengen verkauft. Das muss man einfach mal gesehen haben. Link (Ab Minute 3). Touristen können sich das ganze Spektakel auch einmal ansehen - müssen aber früh aufstehen.

Wer noch mehr über die Geschichte der Tulpe erfahren möchte, kann das Tulpenmuseum besuchen. Okay, wer jetzt sagt, das ein Museum nicht so sein Fall ist. Kein Problem. Wie wärs mit einer Radtour entlang der schönsten Tulpenfelder?


Der Keukenhof - Das Tulpen-Disneyland

In jedem Frühling (für 2016: 24. März bis 16. Mai) öffnet der Keukenhof, der größte Blumengarten der Welt, für Tulpenfreunde seine Pforten. Dann erblühen mehr als 7 Millionen Blumenzwiebeln in 800 verschiedenen Tulpensorten. Ich glaube, meine Mama würde in dem Park übernachten. Sie liebt Tulpen. In ihrem Garten recken Frühling für Frühling unzählige Tulpen ihre Hälse gen Sonne.




Natürlich verbinde ich noch viel, viel mehr mit Holland.  

Meine erste Klassenfahrt ging in die Niederlande. 1997 gewann meine Grundschule den Schülerwettbewerb "Die Niederlande unter der Lupe", das ein Projekt des niederländischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten war. Unser Preis war eine Reise in die Niederlande. Ich weiß noch, dass ich unbedingt ein orangefarbiges T-shirt samt Basecap haben wollte - denn ich wusste, dass ihre Nationalfarbe Orange ist. 


Zum Frühstück gab es Brot mit bunten Streuseln

Typisch holländisch sind auch die sogenannten Hagelslag - bunte Streusel. Auf den holländischen Frühstückstischen sind die Schokostreusel nicht mehr wegzudenken, jeder noch so kleine Supermarkt hat die beliebten Hagelslag im Sortiment. Was für mich viele Jahre das Nutellabrot war, ist für die holländischen Kinder ihr boterham met hagelslag.



Auf unserer Klassenfahrt haben wir viel erlebt, wir waren in Den Haag, Amsterdam und Rotterdam, haben uns die Miniaturstadt Madurodam angeschaut, die Windmühlenstraße fotografiert, eine holländische Schule besucht, eine Grachtenfahrt gemacht und dabei das schmalste Haus der Welt gesehen. Aber wisst ihr, was mich am meisten mit meinen 10 Jahren beeindruckt hat?

Ich habe es heute in dem Leserbrief, den ich für unsere Lokalzeitung geschrieben hatte, wiederentdeckt. An dieser Stelle vielen Dank an meine Mama, dass sie meinen allerersten Zeitungsartikel ausgeschnitten und aufgehoben hat. :)

"Nach dieser Besichtigung [Madurodam] fuhren wir zum Strand von Scheveningen. Dort wurden vor einigen Tagen Sandskulpturen in Form von Trickfilmfiguren gebaut, welche wir uns anschauten. So riesige Sandbauten hatten wir alle noch nicht gesehen, das war eine richtige Meisterleistung. Hoffentlich sehen noch viele Kinder diese meterhohen Kunstwerke, bevor sie von der Sonne austrocknen und zerfallen."

Nach dem Schreiben dieses Beitrages kribbelt es schon wieder in meinem ganzen Körper und ich spüre wieder diesen Drang verreisen zu wollen. Diesmal nach Holland. Am liebsten, wenn die Tulpen blühen.

5 Kommentare:

  1. Richtig cool, dass du das Thema mit Wirtschaft verknüpfst - liest man viel zu selten!

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    1. Freut mich, dass es dir gefällt. Ich will das als meine Blognische ausbauen, also Reisen mit Wirtschaft verbinden - aber halt in einfach und interessant. :) LG Myriam

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  2. Wirklich interessant :D Ist echt eine total tolle und innovative Weise um "typisch holländisch" zu beschreiben! Gefällt mir sehr gut & gelernt hab ich auch was dabei ;D
    LG

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  3. Hallo Myriam,

    was man nicht alles lernt! Ich hätte nicht gedacht, dass die Tulpen aus der Türkei kommen, weil ich sie wirklich direkt mit Holland verknüpfe. Wenn ich nochmal in Amsterdam bin, gehe ich mir auf jeden Fall mal das Museum anschauen.

    Liebe Grüße
    Sarah

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