Sonntag, 3. Mai 2020

[Teil 3] KW 18: Maskenball, verwaiste Spielplätze und leere Stühle

Angst ist das vorherrschende Gefühl in diesen seltsamen Tagen. Die einen haben Angst vor dem Coronavirus und einer möglichen zweiten Welle, die anderen haben Angst vor dem Fortbestand der aktuellen Einschränkungen und deren Folgen für Wirtschaft, Demokratie und Gesellschaft. Die Anzahl der Menschen, die aufgrund des Shutdowns in Kurzarbeit sind, übersteigt um ein Vielfaches die Zahl der am Coronavirus erkrankten Menschen. Bislang haben sich ca. 0,2% der deutschen Bevölkerung am Virus infiziert.*¹ Uns alle eint der Wunsch in Gesundheit und Freiheit leben zu können und zu einem Leben, wie wir es kennen, zurückzukehren.

Spielplätze wegen Coronavirus weiterhin geschlossen
Trauriges Bild: Trotz tollem Frühlingswetter dürfen die Spielplätze nicht wieder benutzt werden



Und genau das dürfen wir bei allen hitzigen Debatten, um Lockerungen, Ende der Kontaktsperren, Zwangsimpfung, Immunitätspass und Demonstrationen nicht vergessen. Wir verfolgen alle das gleiche Ziel. Wir wollen alle in Gesundheit und Freiheit leben. Seit dem 20. April dürfen wir uns in Sachsen wieder weiter als in einem 15km-Umkreis von unserer Wohnung bewegen. "Endlich", ist man geneigt gewesen aufatmend zu sagen. Aber war das überhaupt erforderlich? War es konform mit dem Grundgesetz? Ich musste in den letzten 2 Wochen erfahren, dass man durchaus beschimpft wird, wenn man das Grundgesetz zitiert. Ich denke, dass ist aus einer großen Angst heraus geschehen. Wenn wir tief in unserer Angst stecken, können wir nicht mehr klar denken und stimmen zu schnell den Maßnahmen zu, die am schnellsten zu einer Besserung führen. Dabei ist es gerade in diesen ungewissen und seltsamen Tagen wichtig sich keinesfalls von der eigenen Angst leiten zu lassen. Angst lässt uns nicht klar denken. Aber Angst macht uns auch vorsichtiger und das ist gut so. Angst darf nie nicht über uns bestimmen und uns dazu bringen unsere Grundrechte aufzugeben. Im Englischkurs haben wir vor ein paar Wochen einen interessanten Artikel gelesen. Darin ging es darum, dass die meisten Menschen in Ausnahmesituationen in eine Art Schockstarre verfallen und nicht mehr sinnvoll agieren können. Ich möchte behaupten, dass viele Menschen in Deutschland in genau diese Schockstarre verfallen sind und auf einmal für die Gesundheit alle Maßnahmen ohne Diskussion hingenommen haben. Aber aus einer solchen Starre erholt man sich wieder. Man fragt nach, hakt nach. Man befasst sich mit den Fallzahlen und bemerkt, dass die prognostizierten Horrorszenarien gottseidank ausgeblieben sind. Und dann ist es auch völlig legitim darüber eine öffentliche Debatte zu führen, ob unsere Bundesregierung und unsere Politikerinnen und Politiker richtig gehandelt haben. Es ist legitim zu kritisieren, dass unsere Bundesregierung ggf. auf die falschen oder zumindest auf zu wenig Wissenschaftler gesetzt hat. Die aktuellen Allgemeinverfügungen der Bundesländer untersagen so einiges, aber sie untersagen nicht die freie Meinung. Unsere Mainstreampresse ist mir in diesen Tagen zu unkritisch gegenüber den Bundes- und Landesregierungen und zu undifferenziert was die wissenschaftlichen Debatten angeht. Nimmt sie ihren Platz als vierte Gewalt im Staat gerade wahr?

Frühling, leere Leipziger Innenstadt, Goerdelerring
Leipziger Innenstadt im April 2020

Sachsen führt als erstes Bundesland eine Maskenpflicht zum 20.4.2020 ein


In der Pressekonferenz hieß es aus dem Mund der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, dass ein Maskengebot gelten soll. Aber ihre Ministerpräsidenten führen eine Maskenpflicht ein. Sachsen als erstes und ohne öffentliche Begründung, warum zu diesem Zeitpunkt nur Sachsen aus dem Gebot der Bundesregierung eine Pflicht macht. In den Tagen darauf entscheidet sich ein Bundesland nach dem anderen für die Maskenpflicht. Ich gebe zu, dass ich mich persönlich verarscht gefühlt und benachteiligt gefühlt habe. Warum nur Sachsen? Zudem waren die Fallzahlen in Sachsen nie so hoch wie bspw. in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Außerdem hieß es noch vor wenigen Wochen, dass Masken aller Art nichts bringen würden. Trotzdem waren Masken seit Januar nur schwer zu bekommen. Masken seien erst recht Virenschleudern, dann würde das Tragen von Masken aber zumindest davor schützen, dass man andere nicht ansteckt, weil man kann ja nicht wissen kann, ob man selbst infiziert ist.

Nach 2 Wochen Behelfsmasken tragen, kann ich sagen: Es nervt. Ich kann unter den Behelfsmasken schwerer atmen, meine Brille beschlägt und länger als 20 Minuten mit der Maske in der Straßenbahn zu sitzen, ist sehr unangenehm. Aber trotzdem habe ich persönlich in Leipzig bislang niemanden gesehen, der/die sich nicht an diese Pflicht hält. Wenn ich zum Einkaufen unterwegs bin, nehme ich teilweise einen Schal - da ich darunter leichter Luft bekomme. Auf Shoppen in der Innenstadt habe ich damit aber keinen Bock. Ich spreche auch ungern mit der Maske. Beim Bäcker wurde ich sogar angemeckert, dass ich schlecht zu verstehen sei. Ja, natürlich - wie soll es auch anders sein mit so einem dicken Stofflappen vor der Schnute. Zumindest schränkt es meiner Meinung nach nicht meine Freiheitsrechte ein - es ist nur absolut nervig. Mittlerweile sollte auch hinreichend bekannt sein, warum Kinder keine Masken tragen sollten. Hoffen wir, dass es die versprochene Wirkung zeigt und sich nicht als falsche Anweisung entpuppt. 

Ich habe Behelfsmasken bei einer befreundeten Bloggerin gekauft. Das Stück kostet 7 EUR. Andere rufen da schon Preise auf, die um ein Vielfaches höher liegen. Außerdem hat eine liebe Freundin für mich und Basti jeweils eine zauberhafte Maske genäht. Im Austausch dafür habe ich ihr weiteren Stoff und Schokolade vorbeigebracht. Aufgrund der geringeren Taktung der Leipziger S-Bahn war ich volle 2 Stunden unterwegs - normalerweise hätte ich weniger als die Hälfte gebraucht.

Behelfsmasken

selbstgenähte Behelfsmasken


Shutdown unser Wirtschaft - und sie wissen nicht was sie tun

Durch die aktuellen Maßnahmen liegt unsere Wirtschaft am Boden. Das Ganze könnte schlimmere Ausmaße als die Lehman Brothers Pleite annehmen. Entscheidend ist jetzt der richtige Spagat zwischen "die Wirtschaft nicht komplett lahmlegen" und ausreichenden Schutzmaßnahmen vor dem Virus. Nicht nur deutsche Arbeitsplätze sind gefährdet, sondern auch viele im Ausland, bspw. in Amerika und Asien. Die geringer werdenden Fallzahlen rechtfertigen nicht mehr lange die aktuellen Maßnahmen und versprochene Hilfen kommen nicht so schnell wie sie gebraucht werden bei den Unternehmen an. Aber in Sachsen gibt es auch einen kleinen Hoffnungsschimmer am Horizont. Die Ausgangsbeschränkung - die die Polizei zuerst eigenmächtig auf 5 km festlegte und die wenig später durch das OLG auf 15 km erweitert wurde - ist aufgehoben. Das macht Tagesausflüge wieder möglich und generiert zumindest für Gaststätten, die to-go anbieten können ein paar mehr Einnahmen. Außerdem können die Geschäfte wieder öffnen - zunächst nur bis einer Ladenfläche von 800qm. Zu dieser Regelung gibt es verschiedene Meinungen. Nicht alle sind mit dieser Begrenzung zufrieden. Restaurants und Cafés müssen leider weiterhin geschlossen bleiben und dürfen nur Getränke und Speisen zum Mitnehmen anbieten. In der Mittagspause hab ich mir einmal ein Pastagericht vom Krisenkiosk des Restaurants Pilot an der Gottschedstraße geholt. Mittlerweile bietet auch das Restaurant Heimathafen auf der Könneritzstraße Grillgerichte to-go an. Da der Kanuverleih wieder geöffnet hat, gibts auf Wunsch eine Bratwurst auch direkt ins Kanu - sozusagen ein Kanu-Drive-Thru. :D

Foto folgt


Demonstrationen sind immer berechtigt - oder?


In einer anderen Mittagspause war ich am 24. April bei der Aktion Leere Stühle auf dem Augustusplatz. Leipziger Gastronome und Hotelbesitzer haben damit auf ihre ernste Lage aufmerksam gemacht. Ähnliche Aktionen gab es in über 30 Städten in ganz Deutschland. Die Aktion hatte strenge Auflagen erhalten, u. a. musste schnell wieder abgebaut werden,  sodass ich um 12.15 Uhr nur noch beim Abbau der Aktion zusehen konnte. Generell sind normale Demonstrationen zurzeit noch nicht wieder möglich und das bereitet mir Sorgen. Ich denke, dass Demonstrationen unser größstes Mittel sind, um friedlich zu zeigen, wie viele wir sind und welche Meinungen wir haben. Ein Verbot von Demonstrationen kann einen großen Schaden an unserer Demokratie anrichten, da ein wichtiges Ventil in der Bevölkerung fehlt.

Über die anderen Demonstrationen, die zurzeit deutschlandweit stattfinden, habe ich mir noch kein Urteil gebildet. Ich verfolge dieses Thema und die Berichterstattung darüber jedoch und überlege gerade, ob ich dazu auch bloggen soll.

Es folgen ein paar Links ...


Abschließend teile ich noch einen Link zu einer Arte Doku, die die Schweinegrippe von 2009 aufarbeit:

In den letzten Tagen habe ich viel zum Thema Impfen gelesen. Kritik daran ist aktuell wieder ein absolutes Tabuthema geworden und alle die "aufmucken" bekommen eins mit der Impfgegner-Keule übergebraten. Das ist für mich immer ein Zeichen, dass dort etwas im argen liegt. Denn in einer Demokratie müssen solche brisanten Themen einfach öffentlich diskutiert werden können - ohne dass Menschen, die Kritik äußern gleich in die rechte Aluhut-Impfverweigerer Ecke gestellt werden. Impfen ist keine Bürgerpflicht. Denken hingegen schon. Impfen birgt Risiken - besonders bei verkürzten Testzeiten. Diese dürfen nicht klein geredet werden. Es kommt auf die Risikoabwägung an.
https://www.rubikon.news/artikel/der-pseudo-heilsbringer

„Profiteure der Angst“ ist ein interessantes Video mit dem Schweizer Historiker Daniele Ganser

Mein Wunsch an uns: Lasst uns einfach miteinander reden und nicht über einander. Lasst uns unsere Angst nicht zur treibenden Kraft werden. Lasst uns kritisch bleiben.

Bald werden wieder Spielplätze, Friseursalons und Restaurants öffnen. Lasst es uns als Hoffnung und nicht als Gefahr sehen.

Um einen klaren Kopf zu bekommen und aus der eigenen Angstspirale zu kommen, ist es am besten öfter Zeit in der Natur zu verbringen und das tolle Frühlingswetter zu genießen.

Rapsfeld bei Leipzig zum Sonnenuntergang

*¹ https://ncov2019.live/ Ca. 165.000 Infizierte/Ca. 83.000 000 Menschen in Deutschland

3 Kommentare:

  1. Dem Rat, öfter an die frische Luft zu gehen, schließe ich mich gerne an.
    Die Natur zeigt sich von einer prachtvollen Seite, sodass man wunderbar durchatmen und die Seele baumeln lassen kann.
    Ales Gute wünscht dir
    Heike

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Heike,

      deine Masken sind echt top. Ich nehme die immer im Wechsel zum Einkaufen und Straßenbahn fahren. Kann ich dich irgendwo bewerten? Google MyBusiness oder so?

      Liebe Grüße aus Leipzig

      Myriam

      Löschen
  2. Schöner Austausch. Danke fürs Teilen.

    AntwortenLöschen

Für die Kommentarfunktion auf diesem Blog werden neben Ihrem Kommentar auch Angaben zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommentars, Ihre E-Mail-Adresse und, wenn Sie nicht anonym posten, der von Ihnen gewählte Nutzername gespeichert. Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie in die Datenspeicherung ein.