Sonntag, 13. Juni 2021

[Slow Travel] Stadtbummel durch Venedig

Venedig ist für viele Menschen weltweit ein Sehnsuchtsort. Für die Lagunenstadt ist dies Fluch und Segen zugleich. Die Corona-Krise hat besonders deutlich gezeigt, wie schwer die Metropole mit der touristischen Monokultur zu kämpfen hat. Venedig steht aus verschiedenen Gründen weitere Jahre des Massentourismus nicht unbeschadet durch. In 2019 legten ca. 500 große Kreuzfahrtschiffe in der Lagune an. Dabei beschädigen die von den Schiffen verursachten Wellen das Fundament der auf Stelzen gebauten Lagunenstadt stark. Aber ohne Touristen ist sie eine Geisterstadt. Denn immer mehr Venezianer ziehen fort und seit 2020 bleiben aus bekannten Gründen auch die Touristenmassen aus. Wir haben im vergangenen September zwei Wochen an der Lagune verbracht und mehrmals Venedig für Tagesausflüge besucht. 

Gondeln am Markusplatz in Venedig


Zum ersten Mal war ich 2006 in Venedig. Zum Abschluss unserer Abitur-Klassenfahrt am Gardasee besuchten wir Venedig für ein paar Stunden. Daher hatte ich das Touristenaufkommen von 2006 noch im Gedächtnis und fand dies vergleichbar mit unserem Aufenthalt im September 2020. Bekannte, die meine WhatsApp Story verfolgt haben, schrieben mir allerdings, dass sie fanden, dass Venedig im Vergleich zu ihren Erfahrungen der letzten paar Jahre sehr leer war.

Da wir sonst Touristen Hotspots meiden und Städtetrips für uns mehr Stress als Erholung sind, muss ich ehrlicherweise gestehen, haben wir Venedigs Verschnaufpause genossen. Aber schon auf dem ersten Blick fällt auf, dass die Stadt fast ausschließlich auf Touristen ausgelegt ist. Das merkt man allein schon an den Geschäften. Wir sahen kaum Geschäfte für Einheimische. Souvenirgeschäfte reihen sich wie Perlen auf einer Schnur aneinander. 


Venedig - Markusplatz Anfang September 2020

Imposante Basilica di San Marco

Blick vom Glockenturm auf die Insel San Giorgio Maggiore

Venedig - die italienische Antwort auf Disneyland?


Für Architektur- und Geschichtsfans ist Venedig ein echtes Eldorado. Ein Freizeitpark mit Museumsflair im Shabby Chic Look. 
Aber für die Menschen, die in Venedig leben und arbeiten stellt die aktuelle Situation eine große Herausforderung dar. Sie müssen sich dringend eine Alternative zur touristischen Monokultur überlegen. Wie viele Touristen verträgt die Stadt pro Jahr? In welchem Umfang sollen in Zukunft Kreuzfahrtschiffe in der Lagune anlegen dürfen?

Top 10 Sightseeing vs. sich Treiben lassen

Für die Struktur eines Reiseberichts eignet es sich natürlich hervorragend die Top 10 Sehenswürdigkeiten aufzuzählen, aber in der Realität ist es viel schöner durch Venedig zu schlendern und sich treiben zu lassen, sich zu verlaufen, in kleine Gassen einzubiegen, malerische Brücken-Ensembles zu fotografieren und einen Cappuccino in einem versteckten Café zu genießen.

Auf der Dachterrasse des Kaufhauses T Fondaco dei Tedeschi by DFS die Aussicht genießen

Wir hatten tatsächlich eine Attraktion vorbuchen müssen. Um auf die Dachterrasse des Edel-Kaufhauses T Fondaco dei Tedeschi by DFS zu gelangen, muss man sich im Vorfeld kostenlos registrieren. Der Grund ist, dass zeitgleich nur 40 Personen auf der kleinen Dachterrasse Platz haben. Die Anmeldung lief aber problemlos und ist auch kurzfristig möglich. Der Eingang zum Kaufhaus neben der berühmten Rialtobrücke ist ein bisschen versteckt, aber trotzdem gut zu finden. Am Eingang wurde schnell Fieber gemessen und dann ging es mit der Rolltreppe ganz nach oben. Da wir früh dran waren, mussten wir noch ein paar Minuten im Vorraum warten bis die vorherige Gruppe vollständig die Terrasse verlassen hatte. 

Anschließend konnten wir für 15 Minuten den tollen Ausblick auf die Rialtobrücke und den Canale Grande genießen und Fotos machen. Natürlich half man sich untereinander und fotografierte sich gegenseitig. 

Hier könnt ihr kostenlos einen 15 Minuten Slot buchen. 




 

Rialtobrücke

Die Ponte di Rialto ist eines der Wahrzeichen der Stadt und ein sehr beliebtes Fotomotiv. In der Hochsaison drängen sich auf ihr die Touristen dicht an dicht. Wir hatten Glück, bei uns waren nur mäßig viele Menschen auf der Brücke aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert. Direkt nebenan steht das Fondaco dei Tedeschi (übersetzt "Lagerhaus der Deutschen"). Es wurde 1508 nach einem Brand drei Jahre zuvor wieder aufgebaut und diente als Niederlassung deutscher Händler direkt am Canale Grande. Von 1870 bis 2011 befand sich in dem imposanten Gebäude die venezianische Hauptpost. Seit 2016 betreibt der Konzern LVMH darin ein Luxuskaufhaus.


Stadtbummel durch Venedig

Vor jeder Reise recherchiere ich Orte, die ich mir ansehen möchte und schlage diese meinem Freund vor. Dann entscheiden wir gemeinsam welche wir priorisieren und welche nicht. Die Dachterrasse stand unangefochten auf Platz eins, da wir es lieben uns Städte und Landschaften von oben anzuschauen. Anschließend hätten wir noch die Hotspots, wie den Dogenpalast oder die weniger bekannte Scala Contarini del Borolo ansehen können, entschieden uns aber für einen Stadtbummel und liefen einmal komplett ans andere Ende der Lagunenstadt. Wir entdeckten bezaubernde kleine Gassen mit prächtigen Dachgärten, pittoreske Brückenensembles und verliefen uns ein aufs andere Mal in einer dunklen Gasse. Zwischendurch setzten wir uns im Schatten einer Häuserwand auf eine Bank und beobachten die Szenerie. Im Restaurant zu unserer linken Seite spielte ein Mann Geige für die Gäste und auf der anderen Seite brutzelte ein Pärchen im Café und trank einen Cappuccino. In einer kleinen Gasse kaufte ich Souvenirs Made in Italy und auf dem Rückweg gönnten wir uns ein Eis. Am Ende des Tages hatten wir wirklich das Gefühl viel von Venedig und seinem Charme gesehen zu haben. Beim nächsten Besuch buchen wir ein Hotel für 2-3 Nächte direkt am Canale Grande. 


Verstecktes Restaurant in Venedig

Blick in eine Seitengasse des Canale Grande

Seitengasse Venedig - bis hierhin verirren sich selten Touristen




Glockenturm vom Markusdom

Als die Sonne schon tiefer stand, kamen wir wieder am Markusplatz an und sahen, dass die Warteschlange vorm Campanile di San Marco sehr kurz war und so reihten wir uns ein. Circa 20 Minuten später standen wir nach dem obligatorischen Fieber messen schon an der Kasse. Vier bis fünf Personen konnten pro Fahrt mit dem Aufzug in die luftige Höhe fahren. Der Glockenturm des Doms ist mit seinen 98,6 Metern das höchste Gebäude der Stadt und ermöglicht einen 360° Blick über Venedig. 

Im Juli 1902 stürzte der Vorgängerbau, deren Baubeginn im 9. Jahrhundert lag, nachdem er zuvor starke Risse durch Erdbeben und Blitzeinschläge erhalten hatte, ein. Am Abend des gleichen Tages wurde der Wiederaufbau beschlossen und im April 1912 wurde der heutige Turm feierlich eingeweiht.


Campanile di San Marco

Blick vom Glockenturm auf den Markusplatz und der Insel San Giorgio Maggiore

Blick auf die Basilica di Santa Maria della Salute

Markusdom von oben

Blick in Richtung Norden

Anreise und Kostenaufstellung

Im September 2020 waren wir für 2 Wochen auf dem Camping Village Vela Blu in Ca' Ballarin an der Adriaküste. Vom Campingplatz sind wir mit dem Bus zur Fähre nach Punta Sabbioni gefahren und anschließend nahmen wir die Fähre zum Markusplatz. Die Fahrtzeit inkl. Wartezeit betrug ca. 1 Stunde.

  • Busfahrt von Ca' Ballarin nach Punta Sabbioni: pro Fahrt/Person 2,00 EUR (erhältlich an der Rezeption oder im Bus)
  • Fähre von Punta Sabbioni zum Markusplatz: 7,50 EUR p.P.
  • Summe Transportkosten p.P. Hin- und Rückweg: 19,00 EUR
  • Benutzung öffentliche Toilette: 1,50 EUR
  • Pizzastück: 3,00 EUR
  • Getränk dazu: 3,00 EUR
  • Eis: 4,50 EUR
  • Eisgetränk: 2,00 EUR
  • Eintritt Markusturm: 10,00 EUR p.P.
  • Postkarte: je 0,50-1,00 EUR
  • Souvenir Magnete: je 2,00 EUR

Ihr könnt also auch für wenig Geld einen tollen Tag in Venedig verbringen. :) 


Muss Venedig jetzt den Sprung zum sanften Tourismus schaffen oder kehren die großen Kreuzfahrtschiffe bald wieder zurück? Was denkt ihr?

Zum Abschluss ein Tipp für die tägliche Venedig-Dosis. Schaut doch einfach mal in einen der zahlreichen Livestreams aus Venedig rein. Hier zwei Beispiele: Blick auf Rialtobrücke & Blick auf den Canale Grande.

Venedig - Sonnenuntergang überm Canale Grande

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Für die Kommentarfunktion auf diesem Blog werden neben Ihrem Kommentar auch Angaben zum Zeitpunkt der Erstellung des Kommentars, Ihre E-Mail-Adresse und, wenn Sie nicht anonym posten, der von Ihnen gewählte Nutzername gespeichert. Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie in die Datenspeicherung ein.