Sonntag, 6. März 2016

Leipzig hautnah: Ausgehmeile "Karli"

Mit "Karli" bezeichnen wir Leipziger liebevoll unsere Karl-Liebknecht-Straße. Sie ist neben dem Barfußgässchen und der Gottschedstraße eine unserer großen Ausgehmeilen. Sie ist alternativ, innovativ und immer für eine Überraschung zu haben. Das sind doch mindestens drei gute Gründe, dieser Straße mehr Aufmerksamkeit zu schenken, oder?





Ich starre geistesabwesend in meine leere Kaffeetasse und frage mich: Myriam, warum warst du eigentlich in den letzten drei einhalb Jahren so selten auf der Karli? Ich schaue auf mein Smartphone und stelle fest, dass es Freitag 18.14 Uhr ist. Entspannt grinse ich, lehne mich im Café auf meinem abgewetzten Stuhl zurück und denke: Noch vor wenigen Wochen hast du fast jeden Freitag ab 18 Uhr in der Uni gesessen und einfach keine Zeit gehabt, aber das ist nun endlich vorbei.

In den letzten zwei Tagen habe ich mir daher die Zeit genommen, um die Karli (wieder) zu entdecken. Sie ist eine der Schlagadern Leipzigs und schnell vom Stadtzentrum aus zu erreichen. Vom Wilhelm-Leuschner-Platz läuft man über den Petersteinweg geradewegs auf die Karl-Liebknecht-Straße zu. 

Donnerstag 16.15 Uhr: Feinkost
Zuerst weckt "chillige Musik" mein Interesse und ich betrete einen auf den ersten Blick herunter gekommenen Hinterhof (Feinkost - Karl-Liebknecht-Straße 36). An den Wänden kleben Plakate in mehreren dicken Schichten übereinander und kündigen die nächsten Partys an. Eine Party jagt die nächste. Das Feinkost Gelände ist ein ehemaliges Fabrikgelände. Daran erinnert heute nur noch die Werbetafel "Löffelfamilie".

Eine Bar reiht sich hier an die nächste. Die Karli ist eben auch eine kulinarische Weltreise. Ein Café, das auch gut nach Paris passen würde, steht neben einem irischen Pub. Zwischendurch ein Mexikaner und viele kleine Bistros und Dönerläden. Ich bin überfordert und hungrig. Keine gute Mischung, wenn man die "Welt" entdecken will. 

Daher zücke ich meinen Telefonjoker und frage eine Freundin per whatsapp: "Kannst du mir ein Café auf der Karli empfehlen? Habe heute noch nichts gegessen. Lecker und günstig wäre super." Vier Minuten später erhalte ich genau ein Wort als Antwort: "Puschkin".


Innenhof Feinkost-Gelände

Wahrzeichen der Karli - die Löffelfamilie
 
Donnerstag, 16.45 Uhr: Café Puschkin
Zwei Straßenecken weiter stehe ich vor einem Café mit einem großen roten Stern und zwei Stoff-Wohnzimmerleuchten vor der Eingangstür. Da ich allein bin, setze ich mich an die Bar. Im Café Puschkin kann man tatsächlich bis 16 Uhr aus der Frühstückskarte bestellen. Sehr studentenfreundlich. Ich entscheide mich für das Bauernfrühstück XL, weil es bereits nach 16 Uhr ist. Neben der Bar hängt ein großes Portrait von dem russischen Nationaldichter Alexander Sergejewitsch Puschkin, der auch der Namensgeber des Cafés ist. Ich frage mich, ob an den Wänden echte Zeitungen kleben oder ob das eine Motiv-Tapete ist. Ich werde aber aus meinen Gedanken gerissen, als mir mein Essen serviert wird.

Hinter mir sitzen zwei junge Männer, deren Hauptthema Frauen ist. Nachdem sie draußen eine geraucht und sich darauf geeinigt hatten, dass alle Frauen irgendwie gleich (kacke) sind, fachsimpelten sie über die Immobilienpreise in der Südvorstadt.

Generell sind die Mieten in Leipzig angestiegen, es gebe aber trotzdem noch gute und günstige Wohnungen in Leipzig. Auf der Karl-Liebknecht-Straße habe ich relativ wenig freie Wohnungen auf Immobilienscout24 gefunden. Die Warmmieten für eine 50qm sanierte Altbauwohnung beginnen ab 420 €.  Was echt okay ist. In den ruhigeren Querstraßen ist das Wohnungsangebot weitaus größer. 

Zurück zum Puschkin: Es gibt in den Wintermonaten übrigens eine dickflüssige, italienische Trinkschokolade und Koawach-Trinkschokolade. (Das kennt ihr vielleicht aus der Höhle der Löwen?). Das Puschkin hatte Koawach aber bereits im Sortiment bevor die beiden Gründer ihren Pitch im TV hatten.

Mein Fazit:  Das Café Puschkin kann ich euch guten Gewissens empfehlen.
  
Öffnungszeiten: Täglich 9.00 bis 2.00 Uhr; Weinkeller ab 19.00 Uhr; Karl-Liebknecht-Straße 74; Frühstück ab 5,50 €

Motto: "Wenn in der Montagehalle der Vorschlaghammer dröhnt dich das Puschkin mit leckerem Frühstück verwöhnt."


Café Puschkin

 
Donnerstag, 17.45 Uhr: Teecontor
Satt und zufrieden trete ich zurück auf die Straße. Der Himmel wurde in der Zwischenzeit in ein zartes Rot getaucht und kündigt die nahende Nacht an. Unbeirrt setze ich meinen Spaziergang fort und bleibe vor dem Tee-Contor stehen. In dem kleinen Geschäft kann man aus über 300 verschiedenen Teesorten auswählen. Ich entscheide mich für einen taiwanesischen Tee und die Hausmischung "Fockeberg-Power". Der Besitzer versichert mir aber, dass er die Kräuter dafür nicht selbst auf dem Leipziger Fockeberg gesammelt hat. ;-)

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9.00 bis 19.00 Uhr, Samstag 9.00 bis 14.00 Uhr; Sortiment: über 300 Teesorten, handgeschöpfte Schokolade, Blechspielzeug  und -schilder sowie Postkarten, Karl-Liebknecht-Straße 100.

Motto: "Wer Tee trinkt, hat mehr vom Leben ..."





Donnerstag, 18.05 Uhr: Rockhairbella
Die Karli hat nicht nur eine kulinarische Weltreise zu bieten, sondern ist auch eine Zeitkapsel. Das Rockhairbella ist kein gewöhnlicher Friseur Salon, sondern ist im Stil einer 50er Jahre Milchbar eingerichtet. Liebevoll dekoriert, erstrahlt es in Pastelltönen.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 11.00 bis 20 Uhr, Samstag 11.00 bis 17.00 Uhr; Karl-Liebknecht-Straße 108.

Motto: "Nur wer selbst brennt, kann Feuer entfachen!"


Plakatativ


Donnerstag, 18.30 Uhr: Connewitzer Kreuz
Hier endet die Karl-Liebknecht-Straße und Stadtteil Connewitz beginnt. Direkt an der Kreuzung gibt es einen Rewe dem vor zwei, drei Jahren zu Silvester (wenn ich mich richtig erinnere) die Fensterscheiben eingeschlagen wurden. Kurz darauf hing ein Zettel mit folgenden Inhalt an der Tür: "Wenn ihr uns nochmal die Scheiben einschlagt, verkaufen wir euch kein Sterni (Biermarke) mehr." Seitdem sind die Scheiben ganz geblieben. Man muss sich nur zu helfen wissen. :)

Motto: Ach lassen wir das lieber mit dem Motto ;) 


Abendstimmung vs. Verkehrschaos


Freitag, 15.30 Uhr: Perlentaucher
Als ich den Flyer, der sich neben der Ladentür in einem kleinen durchsichtigen Plastikbehälter befindet, herausnehmen will, erschrecke ich als plötzlich schrilles Vogelgezwitscher ertönt. Ich muss wohl an die Lichtschranke zur Eingangstür gekommen sein. Das ist aber noch längst nicht das Besondere am Perlentauer: Das kleine Geschäft ist bis unter die Decke mit unzähligen kleinen und großen, bunten und unifarbenden Anhängern, Schmuckstücken und anderen Figürchen vollgestopft. Obwohl vollgestopft nicht das richtige Wort ist. Vielmehr ist alles nach Farben sortiert. Überwältigt krame ich umständlich meinen Fotoapparat aus meinem Stoffbeutel, um ein Foto zu machen. Die freundliche Verkäuferin bittet mich aber keine Fotos zu machen, da die Ausstellungsstücke Unikate seien und man befürchtet, sie seien anhand von Fotos einfach nachbaubar. Wenn ich Lust hätte, könne ich aber meinen Schmuck unten am Tisch selbst entwerfen, kommen wir ins Gespräch. Ich musste ehrlicherweise zugeben, dass ich große Lust hätte selbst kreativ zu werden, aber durch das Überangebot an Perlen, Steckern etc überfordert bin und erst einmal überlegen müsse was ich denn genau basteln möchte. Sie rät mir einfach auf der Facebookseite (müsste auch ohne Account bei FB gehen) vorbeizuschauen, dort seien aktuelle Inspirationshilfen abgebildet.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 11.00 bis 19.00 Uhr, Samstag 11.00 bis 15.00 Uhr, den Perlentaucher kann man auch mieten: Montag bis Freitag ab 19.30 Uhr, Samstag ab 15.30 Uhr; mindestens 5 Personen, 8 Euro/Stunde; Mindestumsatz 10 Euro/Person. Anschrift: Karl-Liebknecht-Straße 51.
Tipp: Wer allein und in Ruhe "basteln" möchte, sollte es vormittags tun.

Motto: Individueller Schmuck abseits von Massenprodukten



Baustelle auf der Karli


Freitag, 17.30 Uhr: Café Maitre
Nachdem ich noch ein bisschen über die Karli geschlendert bin, vorbei an Geschäften mit kunterbunter Kindermode, Delikatessengeschäften und Blumenladen, die durch ihre Auslage den Frühling erahnen lassen, habe ich ein wenig Hunger auf etwas Süßes bekommen und kehre ins Café Maitre ein.
Ich habe die Auswahl zwischen einem guten Dutzend verschiedener Kuchen- und Tortenvarianten. Als der schlaksige Kellner mich nach meiner Bestellung fragt, nutze ich die Gelegenheit und frage: "Ich kann mich nicht entscheiden. Würden Sie eher den Mohnkuchen ohne Mehl oder die Schwarzwälderkirschtorte empfehlen?" Kellner: Der Mohnkuchen hat weniger Kalorien, nehmen sie lieber den. Die Schwarzwälderkirschtorte ist wirklich mächtig und hat zudem noch Alkohol." Ich weiß  noch immer nicht ganz wie ich seine Antwort einordnen soll. ;) Ich: "Gut ich nehme den Mohnkuchen und einen Cappuccino", hörte ich mich sagen.

Das Café ist im Jugendstil eingerichtet. An den Decken hängen große Leuchter und es gibt die typischen Buntglasfenster. An den Wänden hängen schwere Gemälde, die wohl eher in ein französisches Schloss passen würden. Aus der Küche dringt ein unterdrücktes Geschirrklappern hervor. Ich beobachte vier junge Männer, die an einem Tisch sitzen und sich anschweigen. Jeder starrt gebannt auf sein Smartphone. Stille. Ich muss mich unweigerlich fragen: Ist das aus uns geworden, können wir nicht mal im Café mit Freunden das "Scheißding" weglegen und miteinander reden? Meinen Gedanken kann ich nicht beenden, da neben mir eine Frau mittleren Alters losprustet: "Und dann hat er mich einfach geküsst...." Ihr Gegenüber schaute genauso überrascht wie ich. Neben den beiden saß ein Pärchen, das sich auch nicht viel zu sagen hatte. Er starrte aufs Handy und sie fischte lieblos in ihrer Suppe herum.

Kurz nach 18 Uhr zog der schlaksige Kellner die Rollos bis zur Hälfte herunter, was den Mann neben mir dazu veranlasste zu fragen, was denn der Sinn dahinter sei. Die Antwort es Kellners war herrlich: "Das hat keinen Sinn. Das ist eine Anweisung meines Chefs. Das sieht dann gediegener aus." Immerhin kann das Café auf eine lange Geschichte zurückblicken, die bis ins Jahr 1904 zurück geht.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8.00 Uhr bis 24.00 Uhr, Samstag 9.00 bis 24.00 Uhr, Sonntag 9.00 bis 22.00 Uhr; Anschrift: Karl-Liebknecht-Straße 62. Nebenan gibt es auch eine Patisserie.

Motto: Bonjour! Bon appétit!




Freitag, 18.45 Uhr: Auf der Karli
Ich trete wieder hinaus in die dunkle Nacht und erlebe wie die Karli langsam zu Leben erwacht. Alt und Jung eilen aus den diversen kleinen Bistros und tragen ihr Essen in dünnen, orangefarbenen Tüten mit sich. Sofern sie die Tür öffnen, verströmt der typsiche Geruch von frittiertem Essen und erfüllt die kalte Märzluft. In den Hauseingängen treffen sich Gruppen von Studenten, die sich für ihr all freitägliches Ritual "auf der Karli was trinken gehen" sammeln. Vor einem Dönerladen streiten sich drei Mädchen, wo es nun den besseren Döner gäbe. Hier oder zwei Häuser weiter.

Hier endet nun vorläufig meine Geschichte von der Karli. Aber das war längst noch nicht die ganze Geschichte. Es gibt noch so viel zu entdecken und wahrscheinlich wird dieser Beitrag fortlaufend ergänzt. Ich habe euch längst nicht alle Cafés und Bars vorstellen können, daher kommen nun (fast) zum Schluss ein paar Empfehlungen meiner Freundinnen:


Bebopalula - wer kann es auch noch betrunken fehlerfrei aussprechen? ;-)

Killywilly - oder bestes englisches Frühstück der Stadt

Quelle: google maps                                                                                                                                       Karl-Liebknecht-Straße


Mini-Gewinnspiel:

Viel zu oft lese ich in meinen Kommentaren, dass Ihr, liebe Leserinnen/ liebe Leser, gern einmal Leipzig besuchen möchtet, aber keine Zeit habt. Und daher habe ich mir eine kleine Überraschung überlegt: Eine oder einer von euch kann mein kleines Karli-Päckchen gewinnen. Beides, Buch und Tee, habe ich auf der Karli gekauft. Wer das Päckchen gewinnen möchte, hinterlässt einfach ein Kommentar oder schreibt mir eine E-Mail (s. Impressum). Das Gewinnspiel läuft bis zum 13. März 2016. Es gelten meine üblichen Regeln.

2 Kommentare:

  1. Liebe Myriam,
    wieder ein Grund mehr mal wieder nach Leipzig zu reisen...dann muss ich unbedingt die Karli unsicher machen - das klingt alles sehr interessant - vielen Dank fürs Mitnehmen! Dann hüpfe ich mal in deinen Lostopf...vielleicht gewinne ich ja ein bisschen Leipzigflair in Form von Tee und Power kann man immer gut gebrauchen.

    Wünsche dir einen schönen Sonntag
    liebe Grüße
    Petra

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    1. Es freut mich sehr, dass du bei der Verlosung mitmachst. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Perlentaucher genau euer Ding ist. :) LG Myriam

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