Freitag, 23. Februar 2018

Meine liebsten Dorfkindmomente*


Als mir ein Rezensionsexemplar von Stefan Schades Bildband "Hoffen, dass der Schulbus nicht fährt" angeboten wurde, musste ich direkt über den Titel schmunzeln. Denn bei uns galt im Winter die Faustformel: Wenn der Schulbus eine halbe Stunde verspätet ist, können wir wieder nach Hause gehen und die Schule fällt aus. Aber nicht nur das Cover weckt Erinnerungen an meine Kindheit - auch die humorvoll bebilderten Sprüche im Innenteil rufen ein "stimmt, so war das" hervor.

Hoffen, dass der Schulbus nicht fährt
Hinweis: Der im Beitrag vorgestellte Bildband wurde mir vom Verlag als Rezensionsexemplar überlassen.

Wenn man jung ist, will man in die Stadt. Etwas erleben und nicht ständig das Gefühl haben, viel zu verpassen. Jedenfalls war es so bei mir. Die Entscheidung nach dem Abitur nach Leipzig zu ziehen, war für mich eine wichtige und richtige Entscheidung. Aber trotzdem gilt:

"Du bekommst das Kind aus dem Dorf, aber nicht das Dorf aus dem Kind"

Der Autor Stefan Schade, selbst Dorfkind, sammelt auf seiner Facebookseite "Dorfkindmomente" die schönsten und witzigsten Sprüche und Bilder, die wahrscheinlich nur echte Dorfkinder verstehen werden. Eine Auswahl davon hat es nun in einen Bildband geschafft.

Ich bin in Bralitz, einem kleinen Dorf im Osten Brandenburgs, aufgewachsen. Meine Grundschule war im Nachbardorf und später das Gymnasium in der nächsten Stadt. Die Sommerferien habe ich hauptsächlich zu Hause - also im Garten oder auf den Wiesen dahinter verbracht. Meine Highlights waren Kinobesuche und Eis essen in der großen Stadt oder wenn es Katzenbabys gab. Handys spielten damals noch keine Rolle - und später war der Empfang eh viel zu schlecht.

"Wenn ein schlechter Empfang dein ständiger Begleiter ist."

Blick auf mein Heimatdorf Bralitz im Herbst


Als ich später meinen Freund Sebastian mit zu uns aufs Land genommen habe, schätzte er am meisten die Frühstückseier unserer Hühner. Für mich war es lange Zeit ungewohnt, dass man Eier im Supermarkt kauft, man hält doch selbst Hühner und wenn diese zu wenig Eier gelegt hatten, kannte man irgendjemanden, der noch welche übrig hatte.

"Wissen, wo das Frühstücksei erkommt."
Ich weiß nicht, ob es an der Zeit oder am Dorfleben lag, aber ich konnte noch ohne Aufsicht im Dorf spielen oder Fahrradfahren. Heutzutage habe ich das Gefühl, dass Eltern in der ständigen Angst leben, ihren Kindern könnte etwas passieren und daher werden sie zur Schule gebracht, wieder abgeholt und auch so ständig "überwacht". "Dorfkindmomente" werden häufig mit Freiheit in der Kindheit verbunden, vielleicht schwelgen wir auch daher so gern in unseren Erinnerungen. Die Stadt bietet zweifelsfrei viele Vorteile und noch mehr Möglichkeiten, aber manchmal sehnt man sich einfach danach aufzuwachen und mitten in der Natur zu sein. Im Sommer noch im Nachthemd durch den Garten der Eltern zu laufen, Obst zu naschen, anstatt ein Nutellabrot zu frühstücken und die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren. In der Stadt muss man sich erst duschen, anziehen und kann dann in den nächstgelegenen Park fahren.

"Ohne Aufsicht im Wald spielen"
Ich habe das erste Drittel des Bildbandes durchgeblättert und könnte zu fast jedem Bild meine Dorfkindmomente hier zum Besten geben. Okay, die ganzen Sprüche rund ums Bier trinken, treffen auf mich nicht zu, aber der Autor ist ein Mann und da dreht sich das Dorfleben eh um Angeln, Bier trinken am Lagerfeuer und die Freiwillige Feuerwehr.


Dornbuschsee - place to be in den Sommerferien

Interessant finde ich auch, dass das Dorfkindleben in Ost- und Westdeutschland wohl sehr ähnlich war bzw. ist. Denn die Themen des Autors, der in Lauenförde (Niedersachsen) aufgewachsen ist, passen auch zu meinen ostdeutschen Kindheitserlebnissen. Auch bei uns fuhren, wie eingangs bereits erwähnt, nur sehr selten Busse und die Bahnlinie wurde sogar stillgelegt. Daher war es auch normal, dass meine Mitschüler und ich zum 18. Geburtstag ein altes Auto geschenkt bekommen haben. Anders wären wir nach der 10.! Unterrichtsstunde auch nicht mehr nach Hause gekommen, da der letzte Bus um 16.30 Uhr fuhr und der Unterricht bis 17.15 Uhr ging. Daher kenne ich auch das Autowaschen am Sonntag zu Hause und dass auf dem Weg zur Schule minutenlang kein Auto entgegenkommt. Mittlerweile bin ich fast in der Mitte des Buches angelangt:

"Am ersten Samstag im Monat ist Probealarm"
Oh ja, wie ich es gehasst habe. Da wolllte man mal ausschlafen, was aber unmöglich ist, wenn sowohl Dorfkirche als auch Freiwillige Feuerwehr nur wenige Meter entfernt sind. Naja in der Stadt ist ausschlafen noch viel schwieriger, da irgendwo in Leipzig garantiert eine Baustelle in meiner Nähe ist, die ab 6.30 Uhr Lärm macht.


Dorfkind Erinnerung: Spaziergänge an der Alten Oder


"Bus fahren" prägt wohl Dorfkinder besonders stark, denn immer wieder kommen Sprüche mit diesem Verkehrsmittel:

"Wenn der Busfahrer zwei Minuten wartet, weil wieder jemand zu spät ist"
Wie oft ist das früher mir passiert. Aber gottseidank hatten wir nette Busfahrer, die uns über die Jahre schon kannten und auf den ein oder anderen gewartet haben. Manchmal wünsche ich mir solche Busfahrer auch in Leipzig. ;)

Bei Dorfkindern, ob sie es gern sind oder nicht, wird dieser Bildband Erinnerungen wachrufen und anwesende Stadtkinder werden das ein oder andere Mal den Kopf schütteln oder ungläubig schauen. Daher ist dieser Bildband ein schönes Geschenk oder Mitbringsel für die nächste Feier im Heimatdorf. Grill anschmeißen, Bierflasche öffnen und gemütlich mit den alten Schulfreunden durchs Buch blättern und die ein oder andere peinliche Geschichte zum Besten geben. Ich werds auf alle Fälle zum nächsten Lagerfeuer bei meiner Schwester mitnehmen.

Informationen zum Buch "Hoffen, dass der Schulbus nicht fährt":

Autor: Stefan Schade
Verlag: HEYNE
ISBN:978-3-453.60445-2
Preis: 10,00 € [D]
Taschenbuch, 176 farbige Seiten
Originalausgabe 12/2017

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