Dienstag, 13. November 2018

Mexiko Teil 4 - Das vergessene grüne Gold Yucatans

Wenn es nun im November draußen kalt und regnerisch ist und sich die Sonne viel zu schnell verabschiedet, denke ich an unsere sonnigen Tage auf der Hacienda Sotuta de Peón. Die drei Tage auf der alten Sisalfarm zählen definitiv zu den Höhepunkten unserer Mexikoreise. Von unserem Resort bei Chichén Itzá fuhren wir über Izamal zu unserer Unterkunft südlich von Mérida. In dieser Gegend gab es im ausgehenden 19. Jahrhundert einen Sisal Boom, der dieser Region zu kurzfristigem Wohlstand verhalf. Heute sind die meisten Farmen verfallen. Die Hacienda Sotuta de Peón ist noch eine der wenigen, die intakt ist und zumindest für Touristen Agaven zu Sisal verarbeitet.

Das Hauptgebäude der Hacienda Satuta de Peón

Sisal wurde einst das "grüne Gold" Yucatans genannt - bis günstigere synthetische Fasern, die robusten Seile und Taue auf dem Weltmarkt abgelöst haben. Dass aus Agavenpflanzen noch mehr als Alkohol gewonnen werden kann, war mir vor unserer Mexikoreise nicht bewusst. Reisen bildet! 
Da ich dieses Thema sehr spannend finde, habe ich mich ein bisschen bzgl. Sisal eingelesen und erzähle euch ein wenig mehr als nur über unseren Aufenthalt auf der Hacienda. Sisal ist umweltfreundlicher als Plastik und daher ist es umso trauriger, dass die Faser an Bedeutung verloren hat und fast in Vergessenheit geraten ist. Aber aktuell gibt es ein Umdenken in puncto Plastik. Vielleicht bedeutet das ein Comeback des Sisals. ;)

Alte Lok am Beginn der Hacienda-Tour

 

Die Hacienda Tour



Die Hacienda-Tour haben wir am Vortrag an der Rezeption gebucht. Sie beginnt auch dort damit, dass die Gäste in die verschieden sprachigen Touren aufgeteilt werden. Neben Spanisch und Englisch gibt es auch eine Tour auf Französisch. Deutsch ist nicht dabei. Obwohl unser Tourguide sogar ein paar deutsche Sätze mit uns gewechselt hat. Es wird aber ein einfaches Englisch gesprochen, sodass die Sprache kein Hindernis sein sollte.

Unser Tour Guide erzählte uns von den zwei großen Epochen, die es in Mexiko gab: Die der Mayas und die der Haciendas. Die Hacienda Sotuta de Péon wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbaut. Die allerersten Sisal-Haciendas soll es bereits im 17. Jahrhundert auf Yucatan gegeben haben. Der eigentliche Sisal-Boom war von 1870 bis 1930. Durch die aktuelle mexikanische Agrarpolitik sind nur noch 10% der ursprünglichen Anbaufläche übrig geblieben und es kam zu einem großen Preisverfall aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Synthetikstoffen. Heute kostet ein Kilogramm Sisal nur noch 10 Pesos.


Während der Tour erfuhren wir Schritt für Schritt wie aus den Agavenpflanzen Sisal hergestellt wurde bzw. noch heute wird. Für die Agavenprodukte gibt es verschiedene Begriffe, die oft fälschlicherweise synonym verwendet werden (mach ich hier auch). Sisal ist ein botanischer Begriff für Faserpflanzen, zu denen u.a. auch Henequén zählt. Unser Tour-Guide erzählte uns, dass Sisal ebenfalls der Name der Hafenstadt im Nordwesten von Mérida ist, von dem aus die Schiffe voll mit dem grünen Gold in die ganze Welt aufgebrochen sind. Auf den Säcken stand "Sisal" und so bürgerte sich angeblich der Name ein.

Wie wird Sisal hergestellt?


Als ich morgens beim Duschen aus dem Fenster geschaut habe, sah ich wie die Plantangenarbeiter mit der Draisine die geernteten Agavenblätter zur Verarbeitung brachten. Uns wurde erklärt, dass nach sieben Jahren die ersten sieben Blätter der Agavenpflanze geerntet werden. Anschließend werden die Blätter in einer Maschine aufgebrochen und das grüne Blattgewebe wird entfernt. Übrig bleiben beige farbigen Fasern, die getrocknet werden müssen. Auf der Hacienda werden sie über "Wäscheleinen" an der frischen Luft getrocknet. In einer großen Presse werden die Fasern gequetscht und nehmen so für die Lagerung und für den Transport weniger Platz weg. Sollen die Fasern gleich zu Seilen verarbeitet werden, wird das gereinigte Material gekämmt und so verzogen, sodass eine lange Faserbahn entsteht.

Die Sisal-Agave wird am Morgen, wenn die Sonne noch nicht so hoch steht, geerntet.

Anschließend werden die geernteten Blätter zur Verarbeitung gebracht.

Die Blätter werden einzeln auf ein Förderband gelegt und anschließend zerkleinert.


Heraus kommen die Fasern der Blätter.

Diese müssen anschließend getrocknet werden.

Wenn sie nicht gleich verarbeitet werden sollen, werden die Fasern gereinigt zu großen Ballen gepresst.

Auf der Hacienda gibt es auch noch manuelle Anlagen mit der zwei oder mehr Angestellte die Arbeiten per Hand erledigten. Dazu gehört auch die Maschine, die die langen Fasern verzwirbelt und zu stabilen Tauen macht. Die eigentliche Sisalblüte brachte die Mechanisierung des Herstellungsprozesses Ende des 19. Jahrhunderts. So konnten mehr Pflanzen verarbeitet (maschinell verkleinert werden) und die Produktion stieg an. Die Erfindung des Agaven-Zerkleineres brachte der Gegend um Mérida herum Wohlstand. Diese Maschine haben wir uns auch angeschaut (Foto s. oben). Ein paar Schritte weiter stehen große Hiladoras (Spinnmaschinen), die die langen Fasern maschinell in verschiedenen Stärken verzwirbeln und zu stabilen Seilen und Tauen verarbeiten. Die Maschinen laufen schon fast 100 Jahre und sind deutsche Fabrikate - worauf uns unser Tourguide stolz hinwies.

Demonstration der manuellen Maschinen, die vor der Industrialisierung genutzt wurden.


Große Spinnmaschinen, die die Fasern zu Taue und Seile weiterverarbeiten.




Wir haben auch die prächtige Villa der Eigentümer besichtigt, die der Sisal-Boom erst möglich gemacht hat. Die Hacienda-Besitzer haben jedoch Mérida dieser Idylle vorgezogen und nie auf der Sotuta de Peón gelebt.
Zum Abschluss der Tour sind wir mit einer Draisine, die ein Pferd gezogen hat, einmal quer über die Plantage, vorbei an unzähligen Agavenplanzen, zum Maya-Haus gefahren. Dort empfing uns Don Antonio. Er ist ein echter Maya, hat seit 1947 auf der Plantage gearbeitet und erzählte von seinem Leben. Viel von den Arbeitsbedingungen hat er aber nicht berichtet. Nach einer kurzen Besichtigungstour durch seine karge Hütte ging es mit der Draisine weiter. Unser nächster Halt war eine Cenote, in der wir baden gehen konnten. (Dort gibt es auch Duschen, Umkleidekabinen, Toiletten und Damen, die Massagen anbieten. Ebenso wird ein Handtuchservice für 20 mex. Dollar angeboten.) Ich habe die Zeit sinnvoller genutzt und eine Sisal-Magarita an der Truck-Bar probiert. Lecker! Sisalschnaps schmeckt echt gut. Die Preise waren sogar erschwinglich: Sisal Magarita 50 mex$, Softdrinks 30 mex$.


Don Antonio erklärte uns wie man einen Agavensetzling einpflanzt.

Anschließend ging es in die Cenote zu einem kühlen Bad.

Ich ließ den Teil mit der Cenote aus und ging gleich zur Truck Bar, um mir eine Sisal Magarita zu gönnen.

Nach dem Baden ging es mit der  Draisine wieder zum Startpunkt.


Fazit der Hacienda-Tour


Die Tour hat sich für uns beide gelohnt. Basti konnte in der Cenote baden gehen und hat alte Maschinen gesehen und ich konnte viel über die Hacienda und die Sisalproduktion erfahren. Open-Air Museen und Augrabungsstätten besuchen wir öfters auf Reisen. Ich finde es schade, dass die alten, einst so prächtigen Haciendas, auf Yucatan verfallen und sich keiner ihnen annimmt. Einige werden zwar von Investoren restauriert und zu Luxus- bzw. Wellnesshotels oder Sternerestaurants umfunktioniert, das ist aber nur ein Bruchteil, der widerum nur einer Gruppe von Menschen zugänglich sein wird.

Heute wird nur noch für Touristen und für den eigenen Museumsshop Sisal hergestellt. Vom Sisalanbau kann hier niemand mehr leben. Ich habe mir im Shop eine bunte Kette aus Sisal, ein Sisal Portemonnaie und kleine Sisalschälchen, sowie ein paar Sisalschwämme zum Verschenken gekauft.
Auch im Hotelbadezimmer fand ich jeden Tag einen neuen Sisalschwamm vor mit dem wir uns massieren und einseifen konnten.

Nach meiner Recherche wird in einigen Ländern der Erde noch Sisal produziert. Sisal soll noch die fünftwichtigste Faserpflanze weltweit sein. Haupterzeuger ist Brasilien, gefolgt von Tansania, Mexiko, Kenia, Kolumbien, China, Madagaskar und China. Bis in die 1960er Jahre soll sogar Tansania der Weltexporteur gewesen sein. (Dort kamen die Setzlinge aus Yucatan.)

Die Fasern werden zur Herstellung von Seilen und Tauen für die Schifffahrt, für Hängematten, Netze, Möbelstücke, für Teppiche und für Dämmmaterialien genutzt. Aktuell werden u.a. auch Katzenkratzbäume und Massageschwämme aus der Agavenfaser hergestellt. Schon früher waren Sisalseile wetter- und wasserbeständiger als europäische Hanfseile. Jedoch besteht der Nachteil darin, dass das Material sehr rau ist und die einzelne Fasern hervorstechen, sodass es nicht handfreundlich ist. Online können Sisalprodukte bspw. hier gekauft werden.

Zum Hotel, Restaurant und zur Anlage


Nicht nur südlich von Mérida sind Haciendas als Unterkunft eine schöne Abwechslung zum normalen Hotelbunker. Außerdem erfährt man hier noch etwas von den längst vergangenen Tagen des Sisal-Booms oder schläft an den gleichen Orten wie einst die Archäologen, die bspw. Chichén Itzá, ausgebraben haben. (Darüber habe ich bereits berichtet.)
Unser Tourguide erklärte uns den Namen der Hacienda Sotuta de Peón. Sotuta heißt Wasser, welches im Kreis zirkuliert und de Peón ist der Name des ersten Besitzers.
Die eingezäunte Anlage liegt idyllisch in einem schönen Garten mit hohen Bäumen und angrenzender Agavenplantage. Der Parkplatz gegenüber der Rezeption (das Personal versteht Englisch) ist bewacht. Es gibt zum einen kleinere einstöckige Bungalows mit Pool und zum anderen größere zweistöckige Bungalows mit 2 Wohneinheiten. Wir hatten unser Zimmer in einem großen Bungalow oben. Es hatte eine Dusche und eine separate Toilette. Die meiste Zeit haben wir in der Hängematte auf unserem Balkon verbracht.
Die gesamte Anlage ist renoviert und im guten Zustand. Es gibt ein Mittags- und ein Abendessenrestaurant. Beide waren gut. Das Abendessen wird im Restaurant am Pool serviert und ist teurer. Leider gibt es dazu keine Alternativen, weil in der Nähe keine anderen Restaurants sind. Aber es gibt Mittagessen bis 17 Uhr und für Mitteleuropäer durchaus die Chance für ein günstiges, frühes Abendessen. ;) Snacks gibts auch in einem kleinen Laden neben der Rezeption und die Zimmer haben einen kleinen Kühlschrank.
Auf der Anlage wurde uns nie langweilig: Nach der Tour sind wir am 2. Tag lange über die Plantage gelaufen, waren noch einmal in der Cenote baden und waren bei den Pferden und Eseln. Den letzten Tag haben wir am Pool verbracht. Neben der Rezeption steht ein hohler Mayabaum über den erzählt wird, dass er das Tor zur Unterwelt sei. Außerdem gibt es einen kleinen Souvenirshop mit selbstgemachten und günstigen Sisalprodukten zum Stöbern.

Die Hacienda Sotuta de Peón kann ich euch wirklich empfehlen. Allerdings müsst ihr euch bewusst sein, dass die Anreise etwas beschwerlich ist, ihr in einer sehr armen Gegend seid und außerhalb der Farm nicht viel los ist.




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