Samstag, 9. Juli 2016

Reisebericht Mostar: Die alte Brücke, der Krieg und eine geteilte Stadt

Mostar ist das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Herzegowina und dank der Alten Brücke und zahlreicher historischer Bauwerke ein beliebtes Ziel für Tagesausflüge. Auch wenn es keine Mauer gibt, ist Mostar eine geteilte Stadt. In West-Mostar leben fast nur bosnische Kroaten und in Ost-Mostar Bosniaken. Obwohl einiges getan wurde, um der Teilung entgegen zu wirken, gibt es bis heute zwei Verwaltungen, zwei Schulsysteme und sogar zwei Bahnhöfe. Davon bekommen die zahlreichen Touristen aber nur wenig mit. Sie stecken den berühmten Brückenspringern ein paar Mark zu, sodass sie sich von der Brücke 21 Meter in die Tiefe stürzen.

Brückenspringer auf der Stari Most (alte Brücke) in Mostar

Als wir mit unserem kroatischen Mietwagen in den engen Straßen von Mostar nach einem Parkplatz suchten, fielen mir die vielen Baustellen im Zentrum der Stadt auf. Als sei die Stadt im Umbruch. Kurz vor dem Beginn der Fußgängerzone fanden wir einen teuren, aber bewachten Parkplatz. Ein Angestellter begrüßte uns mit nahezu perfektem Deutsch. Als ich ihn darauf ansprach, meinte er, dass er während des Krieges in Deutschland gelebt habe. In der Zwischenzeit sei er viel herumgekommen, sei aber schließlich mit seiner schwedischen Frau zurück in die Heimat nach Bosnien & Herzegowina gekehrt.


Der Krieg in Mostar

In Bosnien & Herzegowina trifft man schnell Menschen, die gut deutsch sprechen, weil sie die Zeit des Krieges in Deutschland verbracht haben. Anfang der 1990er Jahre kam es zwischen den verschiedenen Volksgruppen im ehemaligen Jugoslawien zu Spannungen und der Jugoslawien Krieg brach aus. In deren Folge die einzelnen Länder, zunächst Slowenien und Kroatien, ihre Unabhängigkeit erklärten. Im Frühjahr 1992 kam es auch in Mostar zu Feuergefechten zwischen serbischen und kroatien Milizen. Zunächst verteidigten Bosniaken und Kroaten gemeinsam die Stadt gegen die Serben. Nach einer kurzen Friedensphase änderte sich jedoch bereits im Herbst 1992 das politische Klima, da einige Kroaten den Anschluss der Herzegowina an Kroatien forderten. Nun begann in Mostar ein zweiter Krieg und die Menschen bekämpften sich gegenseitig. Die Frontlinie verlief quer durch die Stadt und führte zur Teilung der Stadt.

Erst im Juli 1994 kehrte Frieden ein, als der ehemalige Bremer Bürgermeister Hans Koschnick die Führung der internationalen Verwaltung übernahm. Die Stadt wurde wieder aufgebaut und die Flüchtlinge konnten zurück in ihre Heimat. Während des Krieges sind ca 2.000 Menschen gestorben, ca 26.000 Menschen sind geflohen und im Zentrum der Stadt wurden so gut wie alle Bauwerke beschädigt. Die Alte Brücke wurde sogar gänzlich zerstört.

Wer sich für den Jugoslawien Krieg interessiert, findet viele Videos dazu auf youtube.


Blick auf die Koski-Mehmed-Pasa-Moschee


Die "Alte Brücke" ist das Wahrzeichen der Stadt

Heute führt die berühmte Alte Brücke, Stari Most, wieder über die Neretva. Am Ufer des Flusses kann man entspannen und ein Sonnenbad nehmen. Es heißt Mostar sei die heißeste Stadt des Landes. Als wir Mitte April dort waren, zeigte das Thermometer 27°C an.

Die Brücke, die als Meisterwerk osmanischer Ingenieurskunst galt, wurde im Bosnienkrieg zerstört. Der Grundstein für die (erste) Steinbrücke wurde im November 1557 gelegt. Der osmanische Sultan Süleymann beauftragte den Architekten Mimar Hajrudin mit dem Bau. Nach neun Jahren Bauzeit wurde die Brücke  1566 eingeweiht. Als Baumaterial wurde Tenelija-Stein, eine Kalksteinart aus einem nahe gelegenen Steinbruch, verwendet. Es heißt, dass der Baumeister noch vor der Fertigstellung der Brücke geflohen sei, weil er befürchtete, dass die Brücke einstürzen könne. Jedoch hielt die Brücke zwei Weltkriegen und zahlreichen Überschwemmungen stand.




Nachdem die Brücke am 9. November 1993 über mehrere Stunden von kroatischen Panzern beschossen wurde, stürzte sie in die Neretva. Bis zu diesem Zeitpunkt galt sie als Brückenschlag zwischen Christentum und Islam. Und obwohl die Brücke wieder aufgebaut wurde, ist die Stadt heute noch immer gespalten.

Bereits im darauffolgenden Frühjahr gab es erste Pläne für den Wiederaufbau der Brücke. Sie sollte wieder originalgetreu aufgebaut werden. Jedoch konnten die alten Steinquader nicht wieder verwendet werden und so mussten neue Steinquader aus dem Steinbruch südlich der Stadt geschlagen werden. Dem Frauenhofer-Institut gelang es sogar, die Zusammensetzung des historischen Mörtels zu entschlüsseln. Außerdem wurden die damaligen Werkzeuge benutzt. Die Kosten für den Wiederaufbau beliefen sich auf 15 Millionen Euro. Im Juli 2004 wurde die Brücke offiziell wieder eröffnet.

Auf der muslimischen Seite gibt es das Alte Brücke Museum. Dort erfährt man einiges über die Alte Brücke und deren Wiederaufbau. Wer bis in den 5. Stock hoch klettert, hat eine andere Sicht auf die Stari most. Der Eintritt kostet 5 Mark.

Blick auf die Stari most aus dem 5. Stock des Museums


Das Springen von der Brücke - eine Jahrhundert alte Tradition

Als wir über die Brücke gingen, bemerkten wir wie junge, braun gebrannte Männer von Touristen Geld einsammelten, um für sie von der Brücke zu springen. Das Schauspiel gewann an Dramatik als wir im Museum waren und die Szenerie von oben betrachteten. Aber gesprungen ist zu diesem Zeitpunkt noch keiner. Erst als wir circa eine Stunde später am Ufer der Neretva saßen, hatten die Brückenspringer genug Geld eingesammelt und einer entschloss sich endlich mit viel schauspielerischem Talent von der Brücke zu stürzen.

Das Springen von der Brücke ist seit vielen Jahrhunderten eine Tradition. Der erste dokumentierte Sprung hat bereits 1664 stattgefunden. Früher hieß es, dass ein Mostarer erst ein Mann sei, wenn er von der Brücke gesprungen sei. Viele junge Männer wollten so natürlich auch einem Mädchen gefallen. Heute springen die Männer nur noch für Touristen und für das internationale Brückenspringen im Juli in die eiskalte Neretva. Dass der Sprung nichts für Laien ist, musste ein Tourist schmerzlich feststellen, als er selbst von der 21 Meter hohen Brücke gesprungen ist. Ich überlasse das lieber den Profis, wie hier im Video:



Stadtrundgang

Nicht weit von der Stari Most, die übrigens der Stadt auch zu ihrem Namen verholfen haben soll, steht die Koski-Mehmed-Pasa-Moschee. Ihr langes Minarett fällt sofort ins Auge, wenn man auf der Brücke steht. Die Moschee wurde 1619 fertiggestellt und war bis zum Bosnienkrieg das einzige islamische Gotteshaus in Mostar mit erhaltener Originalbemalung im Inneren. Vom unteren Moschee-Garten soll man einen tollen Ausblick auf die Alte Brücke haben. Leider hatten wir kein Glück und die Türen waren verschlossen. Wir waren daher nur im Innenhof der Moschee und haben dort die öffentliche Toilette benutzt. (Tipp: Die Toilette in der Moschee ist sauber, aber leider nur ein Loch im Boden, Kosten: 0,50 Cent oder 1 Mark)

Außerdem kann man in Mostar einfach mit Euro bezahlen. An den Souvenirständen stehen die Preise in Euro und Mark (Landeswährung) dran. Der Umrechnungskurs ist der gleiche wie damals Euro zu Deutsche Mark. Das liegt daran, dass die Währung früher an die DM gekoppelt war. An Mitbringeln gibt es eine große Auswahl. Ich habe mir für meinen Kühlschrank Magnete (jeweils 1 EUR) und eine kleine Geldbörse (1 EUR) mitgebracht. Es gibt aber auch ziemlich makabere Souvenirs zu kaufen, wie etwa die Flugzeuge, die aus Patronenhülsen gebaut wurden.

Bunte Auswahl an Souvenirs in Mostar

Makabere Souvenirs

Mostar hat noch viel mehr zu bieten, da wir aber nur einen kurzen Tagesausflug in die Stadt gemacht hatten, konnten wir nur ein wenig durch die Gassen schlendern, zur Brücke, ins Museum und in die Moschee gehen. Zum Abschluss unseres Ausfluges saßen wir am Ufer der Neretva und schauten den Touristinnen beim Selfies machen zu. Eine Gruppe junger, türkischer Frauen fiel mir auf, weil sie sehr lange für ein Fotos brauchten. Als ich am Abend auf Instragram den Hashtag #Mostar eingab, fand ich ihre Fotos sehr weit oben. Daher weiß ich auch, dass es türkische Frauen waren.

Auf dem Weg zum Auto aßen wir in Gesellschaft der Brückenspringer, die sich im Schatten der Brücke ausruhten, ein leckeres Eis. Die Eissorten waren einfach zu verlockend: Kinder-Bueno, Oreo oder Waldfrucht. Eine Kugel Eis kostete auch bloß 50 Cent. Wer kann da Nein sagen?


Eis essen im Schatten der Alten Brücke; im Hintergrund sitzen die Brückenspringer und essen auch Eis. :)


Fazit unseres kurzen Besuchs in Bosnien & Herzegowina

Bereits wenige Meter hinter der kroatischen Grenze fällt auf, dass Bosnien & Herzegowina viel ärmer als Kroatien ist. Noch immer zählt es zu den ärmsten Ländern Europas. Auf dem Weg nach Mostar sind wir fast nur an Dörfern vorbeigefahren. Aus dem Auto heraus sah das Landleben typisch idyllisch aus. Aber was sagt das schon aus. Als wir in Mostar angekommen sind, nahmen wir den üblichen Trubel einer Stadt wahr. Mostar steht in Sachen Baustellen Leipzig in nichts nach. Auch in Mostar reihte sich Baustelle an Baustelle.
Ich war überrascht wie viele Menschen Deutsch in Mostar sprachen. Das hat mich sehr nachdenklich gestimmt, vorallem weil viele von ihnen in den 1990ern in Deutschland als Flüchtlinge lebten und wir gerade in Europa eine neue Flüchtlingswelle erleben. 1995 beschloss der Bundestag erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Soldaten in einen Krieg zu schicken. Daher stellt der Krieg in Bosnien auch eine Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte dar. Ein Arbeitskollege meines Freundes war während des Krieges in Sarajevo stationiert und ist an freien Tagen einige Male nach Mostar gefahren.

Die wieder aufgebaute Stari most (Alte Brücke) ist in meinen Augen auch ein Symbol für die Sinnlosigkeit von Kriegen. Zuerst wird etwas grundlos zerstört, um es anschließend für viel Geld wieder aufzubauen. Auf Zerstörung folgt Wiederaufbau und dieser schafft Arbeitsplätze und bringt Wirtschaftswachstum. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Kriege nicht der Demokratie wegen geführt werden. Wirtschaftliche Interessen - nicht nur der Waffenlobby - sind vorherrschend. Wie wird es wohl in 20 Jahren sein - werden wir nach Syrien reisen und uns wundern, dass dort so viele Deutsch sprechen? Werden wir Fotos von wieder aufgebauten Brücken und historischen Bauwerken auf Instagram posten? Warum muss sich Geschichte immerzu wiederholen?


Allgemeines zu Mostar und Bosnien & Herzegowina

Auto/Mietauto: Wer mit dem eigenen PKW einreisen möchte, muss eine grüne Versicherungskarte dabeihaben. Diese wird vom deutschen Versicherer ausgestellt. In der Regel besteht Versicherungsschutz. Zur Sicherheit sollte man aber darauf achten, dass BiH angekreuzt ist. An der Genze müssen neben dem Reisepass auch die Versicherungs- und Fahrzeugpapiere  sowie der Führerschein gezeigt werden. Außerdem muss man dem Zoll eine Auskunft geben. Von der Grenze bis nach Mostar beträgt die Maut ca. 0,67 EUR (1,20 Mark). Dieser Beitrag kann in Euro gezahlt werden, allerdings erhält man Mark als Wechselgeld.
Wer mit dem Mietauto von Deutschland nach Kroatien fährt, darf leider in der Regel laut Mietvertrag nicht nach Bosnien & Herzegowina einreisen. Also muss man sich in Kroatien einen Wagen mieten mit dem man über die Grenze fahren kann. Wir bekamen einen neuen Opel Astra, der noch keine 1000 km gelaufen war und bezahlten dafür 80 EUR. Wenn wir nur einen für Kroatien gebräucht hätten, hätten wir nur 35 EUR bezahlen müssen. Die Differenz ist quasi ein Versicherungsaufschlag für den Grenzübertritt gewesen. Man sollte bewachte Parkplätze nutzen. Wir haben für unseren Parkplatz 120 Kuna, ca 16 EUR gezahlt. Mega teuer!!! Die Fahrtzeit von Zadar (Kroatien) nach Mostar beträgt ca. drei Stunden. Wenn man auf dem Rückweg durch die Berge fährt, hat man einen tollen Blick auf die Stadt.

Erste Eindrücke: Auf dem ersten Blick fällt sofort die Abstufung zwischen Kroatien und Bosnien & Herzegowina auf. Auf den Straßen sieht man viele alte, kaputte Autos. Wir haben LKWs mit BiH-Kennzeichen, aber deutscher Beschriftung z.B. "Bauzentrum Schröder" gesehen. Außerdem hingen an der Straße Plakate, die für eine Fabrik namens "Bayernland" Werbung machten. Die Dörfer sind sehr ländlich und es gibt noch mehr unverputzte Häuser als in Kroatien. Wir wissen noch immer nicht warum. Muss man vielleicht für unfertige Häuser weniger oder keine Steuern bezahlen? Oder ging das Geld für die Fertigstellung aus?


Gasse in Mostar

Währung: Offizielle Währung ist die Konvertible Mark (KM). Ursprünglich war sie 1:1 an die Deutsche Mark gekoppelt, aber seit der Euro-Einführung beträgt der feste Wechselkurs 1 EUR = 1,95 KM. In Mostar konnten wir mit Mark, Euro und Kuna (kroatische Währung) bezahlen. Geldautomaten stehen ebenfalls zur Verfügung. Wir haben sogar eine Sparkassen-Filiale gesehen.

Landminen: In Bosnien & Herzegowina sind noch immer nicht alle Minen aus dem Krieg geräumt. Bis heute konnten noch nicht alle Minenfelder geortet werden. Außerhalb von Städten ist Vorsicht geboten. Keineswegs sollte man in alte Kriegsruinen oder unbewohnte Gegenden gehen. Lokalisierte Minenfelder sind mit einem gelben oder roten Band gekennzeichnet. Obwohl das Land dem Ottawa-Abkommen beigetreten ist und sich verpflichtet hat alle Landminen zu räumen, wurde das Ziel noch nicht erreicht. Die bosnische Regierung will bis 2019 alle Minen geräumt haben, aber angesichts der Tatsache, dass bis zu drei Millionen Minen während des Krieges gelegt wurden, ist dieses Ziel unmöglich zu erreichen. Obwohl noch kein Tourist durch Landminen verletzt wurde, sollte man sich dieser Gefahr bewusst sein.

Buchtipp: Im Trescher Verlag ist der Reiseführer "Bosnien und Herzegowina - Unterwegs zwischen Adria und Save" erschienen. Der Autor Marko Plesnik bereist seit seiner Kindheit das ehemalige Jugoslawien. Der Reiseführer beschreibt alle Regionen des Landes genau und geht auf geschichtliche und kulturelle Besonderheiten präzise ein. Außerdem gibt er zahlreiche nützliche Tipps und hat einige Empfehlungen parat. Die 5. Auflage ist 2016 erschienen und kostet 18,95 EUR.

Ich würde übrigens wieder nach Bosnien & Herzegowina reisen, weil dort die Natur genauso wunderschön ist wie in Kroatien. Es gibt Nationalparks und wunderschöne Wasserfälle. Leider hat das Land nur einen 20 km langen Küstenstreifen. Es eignet sich also nicht zum Badeurlaub. Aber wer einmal an die kroatische Adria Küste fährt, sollte überlegen, ob er nicht einmal nach Herzegowina fährt.

Neretva stromabwärts

2 Kommentare:

  1. Hey Myri,
    ich finde es immer toll, wie du auch Kontakt zu den Einheimischen suchst und Infos aus erster Hand in deine Berichte packst! :)
    Und du hast völlig Recht: scheinbar niemand lernt aus der Geschichte. Es ist total Schade, dass sich Krieg und Zerstörung immer wiederholen müssen. Verrückt wer ernsthaft die von dir gezeigten Souvenirs vom Krieg kauft?
    LG Swany

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    1. Hallo,

      vielen Dank für deine lieben Worte. :) Mit dem Alter werde ich immer mutiger und "quatsche" einfach Leute auf der Straße an. :)

      LG Myriam

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