Donnerstag, 11. Januar 2018

Zypern Teil 4: Nikosia - Die letzte geteilte Hauptstadt

Die Hauptstadt Nikosia hat gemessen an anderen Orten auf Zypern eher weniger Potential für einen längeren Aufenthalt und so kommen die meisten Touristen nur für einen Tagesausflug in die geteilte Stadt. So auch wir. Wir parkten im EU-Teil der Stadt und liefen über die Ledra Street zur innerstädtischen Grenze. Vielleicht war der Besuch der geteilten Stadt für mich auch so besonders, weil ich geboren wurde als Berlin noch eine geteilte Stadt war.



Im Bereich des Grenzübergangs ist es verboten Fotoaufnahmen zu machen, hieß es im Reiseführer und so beschloss ich meine Kamera in der Nähe des Grenzübergangs in den Rucksack zu stecken. Wir schlenderten die Ledra Street, der einstigen Hauptstraße, hinab und ich schoss etliche Fotos. Das Straßenbild bot den typischen Anblick einer westlichen Stadt: Internationale Ketten, wie H&M, McDonalds, KFC und Starbucks prägten das Bild. Plötzlich tauchte zwischen den Cafés und Souvenirgeschäften die Grenze auf. Wir nahmen unsere Ausweise und reihten uns in die Schlange der Wartenden ein. Etliche Touristen wollten sich das Land, welches die UN nicht als Staat anerkennt, ansehen. Die zwei Damen mittleren Alters in olivgrüner Uniform mit bunt lackierten Fingernägeln schenkten dem Ladezustand ihrer Handys mehr Beachtung als meinem Ausweisdokument und so passierte ich wenige Augenblicke später die erste Grenze. Es folgte ein schmaler Streifen Niemandsland, welches als Demarkationslinie bezeichnet wird. Dieser Streifen durchzieht die gesamte Insel und ist mal breiter, mal schmaler. Hier wohnen keine Menschen mehr und langsam erobert sich die Natur diesen Landstreifen zurück. Am Ende der Grenzlinie muss man die Passkontrolle zur Türkischen Republik Nordzypern passieren. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Häuser hinter der Grenze etwas schäbiger und verfallender als auf der EU-Seite sind. Es gibt auch viele Geschäfte, allerdings keine der üblichen Ketten, eher kleine Souvenirläden und jede Menge Wollläden. Auf den Preisschildern wird groß darauf hingewiesen, dass man mit Euro oder türkischer Lira bezahlen kann. Es war ein schönes Gefühl durch die vollen Gassen zu laufen. Niemand sprach uns ungewollt an und schwatzte uns etwas auf oder lockte uns in ein Restaurant. Die Katzen waren genauso zahlreich und frech wie im Rest der Insel.

Warum ist Nikosia eine geteilte Hauptstadt? 
Bevor ich von unserem Tagesausflug berichte, möchte ich euch kurz erklären warum die Inselhauptstadt geteilt ist: Seit die Insel 1571 von den Osmanen erobert wurde, leben Griechen und Türken auf der Insel. Fortan kämpften Zyperngriechen und türkische Zyprer um die Vorherrschaft auf der Mittelmeerinsel. Im 19. Jahrhundert wird Zypern schließlich eine britische Kolonie bzw. pachtete man  Zypern von der Türkei. Großbritannien hatte einen Militärstütz-punkt im östlichen Mittelmeer und die Osmanen erhofften sich ein Gegengewicht zu Russland. Die griechisch-orthodoxe Kirche befürwortete schon immer einen Anschluss Zyperns an Griechenland und die türkischen Zyprer protestierten schon immer dagegen. Bei einem Referendum im Jahr 1950 votierten 95% der Zyperngriechen bei einer offenen Wahl für einen Anschluss und ein bewaffneter Kampf begann. 1960 entlässt Großbritannien Zypern in die Freiheit und mit dem Konflikt allein. Die türkischen Zyprer verweigern dem Präsidenten und Erzbischof Makarios die Zustimmung zur Verfassungsänderung und bald darauf beginnt ein Bürgerkrieg. UNO-Truppen kommen 1964 auf die Insel und ziehen eine Trennlinie (Greenline) zwischen den verfeindeten Volksgruppen, die auch durch Nikosia geht. Als dann 1974 ein von der griechischen Junta initiierter Putsch stattfindet, nimmt dies die Türkei zum Anlass ein Drittel der Insel zu besetzen. 1983 wurde die "Türkische Republik Nordzypern" ausgerufen, die bislang völkerrechtlich nicht anerkannt wird - außer von der Türkei. Immerhin können sich seit 2003 alle Zyprer frei auf der Insel bewegen. Seit 2004 ist der Süden Zyperns, die "Republik Zypern" Teil der EU. Ob Zypern eher griechisch, türkisch oder gar englisch ist, mag ich nicht zu entscheiden. Gewiss ist nur, dass das östliche Mittelmeer um Zypern herum auf gigantisch große Erdgas Vorkommen zurückgreifen kann, die die Stromversorgung der gesamten EU sichern könnte. Im Süden haben wir etliche Bohrinseln gesehen. Nicht zuletzt deshalb (auch wegen der guten geografischen Lage zum Nahen Osten) spekuliere ich, dass der Konflikt um die Teilung Zyperns noch Jahre anhalten wird, da weder die Türkei noch die EU oder  gar Großbritannien, die noch immer militärische Stützpunkte auf der Insel haben, von dieser geo-strategisch gut gelegenen Insel ablassen werden. Die letzte Verhandlungsrunde ist im Januar 2017 gescheitert. "Die Türkei wird immer auf Zypern bleiben.", sagte Erdogan in diesem Zusammenhang. (Quelle: www.welt.de, vom 28.09.2017)

Nikosia - Türkische Republik Nordzypern

Im Schatten der Selimiye-Moschee kehrten wir in dem Restaurant El Sabor ein und wurden kurze Zeit später von mehreren Katzen belagert. Wir hatten Glück, dass es ein spanisches und italienisches Restaurant war und wir wirklich leckeres Essen bekamen. Basti bestellte sich ein Nudelgericht (ca. 5 EUR) und ich gönnte mir einen Lachs-Salat (ca. 7 EUR). Natürlich mussten wir alles mit den Katzen teilen. ;) Als ich auf die Toilette ging, fiel mir die Restaurant-Bar mit den zahlreichen Spirituosen auf. Die Kartenzahlung zum Schluss funktionierte übrigens problemlos, es wurden auch keine extra Gebühren erhoben.

Katzen über Katzen


Die Selimiye-Moschee erregte mein näheres Interesse. Zwar deuteten die zwei Minarette unverkennbar auf eine Moschee hin, aber trotzdem sah ich deutlich gotische Elemente. Das Gotteshaus wurde als Kathedrale der Heiligen Sophia errichtet und war der größte und älteste gotische Sakralbau auf Zypern. Sie wurde zwischen 1209 und 1570 auf den Fundamenten einer älteren byzantinischen Kirche errichtet. Die Kathedrale folgte dem gotischen Baustil Frankreichs. In dem Sandsteinbau wurden viele Könige gekrönt und beigesetzt. Mit der Eroberung der Osmanen im Jahr 1570 wurde die Kirche in eine Moschee umgewandelt. Sie wählten das Gotteshaus als ihre Hauptmoschee aus und vollendeten die Westtürme als Minarette. Leider wurden die zahlreichen Verzierungen, Statuen und Wandmalereien genauso wie die Königsgräber und die Gemälde, die Szenen aus dem Alten und Neuen Testament zeigten, zerstört. Die Moschee kann außerhalb der Gebetszeiten besichtigt werden.

Selimiye-Moschee in Nikosia

Selimiye-Moschee in Nikosia

Das Büyük-Hamam steht wahrscheinlich auch auf dem Fundament einer alten katholischen Kirche. Jedenfalls würde das erklären, warum es so aussieht als würde das Gebäude im Boden versinken. Die umliegenden neueren Häuser wurden nämlich auf einer gut ein Meter dicken Schuttschicht der letzten 500 Jahre erbaut. Montags ist Ruhetag im Hamam. Dafür gibt es an den anderen Tagen Badezeiten für nur Männer, nur Frauen und sogar Zeiten für beide Geschlechter bzw. für Touristen.


Büyük Hamam - Grand Turkish Bath

Öffnungszeiten des Büyük-Hamams

Da es uns mehr darum ging einen Eindruck vom Nordteil zu bekommen als alle sehenswerten Orte im Reiseführer abzuklappern, ließen wir uns auch durch die Gassen treiben und sahen abseits der Touristenpfade auch sehr verfallende Straßenzüge, aber auch kleine Oasen wie der "Secret Garden" und jede Menge Streetart.

Secret Garden in Nord-Nikosia (türkischer Teil)

Streetart in Nikosia

Streetart in Nikosia

Auf dem Rückweg passierten wir wieder recht zügig die Grenze. Am Himmel zog eine Regenfront auf und wir beschlossen zum Auto zu gehen. Ich kaufte nur noch schnell Postkarten und Briefmarken (0,60 EUR + 0,02 EUR Flüchtlingshilfe bzw. 0,68 EUR). Beide Porto-Varianten kamen nach einer Woche in Deutschland und Österreich an. Im türkischen Teil wäre es mit dem Postkarten schreiben etwas umständlicher gewesen, da die gesamte Post über ein Postamt in Mersin (Türkei) geht. Nordzypern ist kein Mitglied des Weltpostvereins und somit können Sendungen nur über die Türkei ins Ausland verschickt werden. Wer ein Brief nach Nordzypern schicken will, darf auch nicht Zypern daraufschreiben, sondern muss "Mersin 10" als Landesangabe auf der Sendung vermerken. Über die türkische Hafenstadt gelangt die Post dann in den Norden.

Obwohl bereits die ersten Regentropfen zu Boden fiel, beschlossen wir noch auf die Aussichtsplattform des Ledra Museums zu gehen. Vom 11. Stock aus hat man einen 360° Ausblick auf beide Stadtteile. Aus dieser Höhe sahen beide Teile  gleich verfallen aus. Die Selimiye-Moschee ist gut zu erkennen und bietet einen guten Orientierungspunkt. Da es recht windig wurde, wurden wir gebeten die Fenster geschlossen zu halten und sahen auch schon wie die ersten Blitze niedergingen. Die Flatscreens erklären die einzelnen Gebäude der Hauptstadt in mehreren Sprachen und der Eintritt von nur 2,50 EUR ist vollkommen angemessen.

Auf dem Weg zur Aussichtsplattform des Ledra Museums

Blick auf Nikosia vom Ledra Museum Observatorium


Als wir wieder im Auto saßen, waren wir vom Regen vollkommen durchnässt und stellten die Heizung an. Unglücklicherweise gerieten wir auch noch in den Feierabendverkehr und steckten in den engen Gassen fest. Erstaunlicherweise lief der Verkehr recht geordnet ab und die Straßenführung war für ein südliches Land sehr anständig geregelt. So machte es Basti auch nichts weiter aus in der Dunkelheit im Linksverkehr zu fahren.


Fazit

Als wir einige Tage zuvor unseren Mietwagen erhielten, fragten wir den Mann von der Autovermietung, ob es gefährlich sei nach Nordzypern zu fahren. "Ich würde es nicht tun.", antwortete er. Wir hatten uns extra erst ein Auto auf der Insel gemietet, da die lokalen Vermietungen den Grenzübertritt nicht in ihren Bedingungen ausschlossen. Nach einigem Überlegen kamen wir zu dem Entschluss nach Nikosia mit dem Auto zu fahren und zu Fuß über die Grenze zu gehen. Nicht weil es uns zu gefährlich gewesen wäre, sondern weil wir keinen Kasko-Versicherungsschutz in Nordzypern gehabt hätten. An der Grenze hätten wir nur eine Basis Haftpflichtversicherung für unseren Mietwagen kaufen können. Uns war das Risiko einfach zu groß und so haben wir erst einmal bei einem Tagesausflug zu Fuß "vorgefühlt" wie Nordzypern ist. Bedenken muss man keine haben. Vorab muss man sich nur über die Einreisebestimmungen informieren. Aktuell kommt man mit einer gültigen ID-Card über die Grenze. Außerdem sollte man sich informieren welche Grenze nur für Fußgänger (wie die Ledra-Street) ist und über welche Grenze man auch mit dem Mietwagen kommt. Als Tourist merkt man nichts von der angespannten politischen Lage. Die Menschen auf beiden Seiten sind freundlich und aufgeschlossen. Beim nächsten Mal werden wir im Vorfeld mehr Zeit für Nordzypern einplanen oder sogar mit einer Fähre aus der Türkei anreisen. EU-Bürger dürfen sich - unabhängig vom Einreiseort - auf der gesamten Insel frei bewegen.

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3 Kommentare:

  1. ..die Briten mit ihrem Linksverkehr :D
    Sehr informativer Bericht!
    LG Swany

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    1. Dankeschön! :)
      Ja, die Briten :) Aber zu meiner Überraschung ist es überhaupt nicht schwierig im Linksverkehr zu fahren, wenn man einen Rechtslenker mit Automatik mietet.
      LG Myriam

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  2. Danke für Deine interessanten Schilderungen! Sie sind so lebhaft geschrieben, es macht richtig Spaß sie zu lesen!

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